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Mit dem Widerruf raus aus dem Kreditvertrag

Widerruf von Autokrediten 1

Was der Widerrufsjoker am Europäischen Gerichtshof so treibt

 

Sicherlich jeder hat davon schon mal gehört und fast täglich kommt man mit ihm in Berührung – mit dem Widerruf. Wer z.B. als privater Kunde Waren im Internet bestellt, kann sie innerhalb von 2 Wochen zurücksenden. Das ist juristisch gesehen ein Widerruf der Erklärung zur Bestellung. Ein solcher Widerruf ist unter bestimmten Bedingungen auch bei Krediten möglich und das hat manchmal viele Vorteile. Das höchste Europäische Gericht – der EuGH – hat nun die Rechte von privaten Kreditnehmern weiter gestärkt und das hilft oft, tausende Euro zu sparen.

 

Widerrufsmöglichkeit bei Darlehen – warum überhaupt?

Wer z.B. Waren als Privatperson im Internet bestellt, soll nach der Bestellung zwei Wochen Zeit haben, sich die bestellte Ware anzuschauen und zu prüfen. So weiß er, ob das bestellte Produkt wirklich seinen Vorstellungen entspricht. Was für den Wareneinkauf im Internet gilt, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers auch für die Aufnahme von Krediten gelten. Daher hat der Gesetzgeber schon vor vielen Jahren bei der Aufnahme von privaten Darlehen ebenfalls die Möglichkeit geschaffen, den Kredit und seine Konditionen zu prüfen. Wenn der Kredit nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, sollte der private Kreditnehmer ebenfalls die Möglichkeit haben, sich vom Vertrag zu lösen. Über diese Möglichkeit des Lösens vom Vertrag durch Widerruf müssen Kreditnehmer vom Kreditgeber (also z.B. von der Bank) aufgeklärt werden – mittels einer sog. Widerrufsbelehrung.

 

Der Gesetzgeber macht Vorgaben und das Chaos nahm seinen Lauf

Der Gesetzgeber meinte es nun besonders gut und machte Vorgaben, wie eine solche Belehrung auszusehen hatte. Das Ergebnis war ein „Lückentext“, den die Banken – je nach Art des Kredites – anpassen sollten. Einige Banken übernahmen das Muster. Andere meinten, es besser und deutlicher machen zu können. Das Problem bei diesem Muster war aber, dass es eigentlich falsch war, was irgendwie nur keiner gemerkt hatte. Die Folge war, dass Gerichte entschieden, dass die Kreditnehmer allein deswegen den Widerruf noch ausüben konnten, weil sie nicht richtig über ihr Widerrufsrecht belehrt wurden.

 

Nachdem der deutsche Gesetzgeber nachgebessert hatte, kam nun auch noch zu allem Übel der Europäische Gesetzgeber und machte zusätzlich Vorgaben. Das musste jetzt also auch noch umgesetzt werden. Das Chaos war perfekt. Es gibt inzwischen unzählige Änderungen der Anforderungen an eine solche Widerrufsbelehrung. Selbst Juristen können erst nach intensiver Prüfung sagen, ob sie richtig ist.

 

Warum hilft das dem Kreditnehmer?

Nun kann man sich fragen, was einem das Ganze bringt. Die Antwort ist einfach: Ist der Kreditnehmer nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden, kann er seinen Kreditvertrag auch unter Umständen noch nach Jahren widerrufen. Das kann für den Kreditnehmer viele Vorteile haben. Das lässt sich z.B. ohne große Berechnungen am Zinssatz für einen Immobilienkredit sehen. Lagen noch vor zehn Jahren die Zinsen dafür teilweise über 4 % pro Jahr, liegen sie jetzt z.T. bei nur 1,5 %. Über eine entsprechend lange Laufzeit bei einem neuen Kredit mit geringeren Zinsen kommen schnell ein paar tausend Euro zusammen. Bei einem Autokredit kann so etwas vorteilhaft sein, weil man z.B. seinen alten Diesel loswerden möchte oder man bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrages mehr Geld zurückbekommt, als die Nutzung des Fahrzeuges wert war.

 

 

Ist der Kreditnehmer nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden, kann er seinen Kreditvertrag auch unter Umständen noch nach Jahren widerrufen. Das kann für den Kreditnehmer viele Vorteile haben.“

 

 

Das wurde für Banken teuer

Die Folge war, dass viele Kreditnehmer ihren Vertrag von der Möglichkeit des (späten) Widerrufs Gebrauch machten, um z.B. so in den Genuss geringerer Zinsen zu gelangen oder um ihr Auto loszuwerden. Das fanden die Banken nicht so witzig und verteidigten sich dagegen. Sie argumentierten vor allem damit, dass es dem Kreditnehmer doch überhaupt nicht auf die Frage der richtigen Widerrufsbelehrung ankäme. Vielmehr würden die Kreditnehmer versuchen, sich mit einem formalen Grund aus der vertraglichen Verpflichtung zu lösen. Das sei – so der juristische Begriff – rechtsmissbräuchlich.

 

Außerdem könne es doch nicht sein, dass man sich einfach so nach Jahren nicht mehr an den Vertrag halten wolle. Das bestehende Recht zum Widerruf könne nach Jahren nicht mehr ausgeübt werden und wäre – so der andere juristische Begriff – verwirkt.

 

Der Europäische Gerichtshof spricht ein Machtwort

Wenn man als Privatperson gegen Banken geklagt hat, musste man sich mit zwei Dingen herumschlagen: Erstens ging es um die Frage, ob die Widerrufsbelehrung falsch ist. Zweitens kam immer die Frage auf, ob der Kreditnehmer rechtsmissbräuchlich handelte und ob seine Rechte verwirkt waren. Die Ergebnisse hätten vor Gericht unterschiedlicher nicht ausfallen können. Das Ganze glich manchmal eher einem Würfelspiel.

 

Dem hat der EuGH nun ein Ende gesetzt. Wenn die Kreditnehmer ihren Kreditvertrag noch nach Jahren widerrufen, weil sie nicht richtig und vollständig über das Recht zum Widerruf belehrt wurden, dürfen Banken nicht mehr damit argumentieren, dass dies rechtsmissbräuchlich ist oder ein Widerrufsrecht verwirkt ist. Damit kommen die Banken als nicht mehr durch und das ist eine ganz wichtige Aussage. Eine der Hauptverteidigungen von Banken gegen Kreditnehmer ist nun weg. Die Chancen für Kreditnehmer haben sich damit vor Gericht erheblich verbessert.

 

Was bringt’s für Dich?

Im Kern dürften zwei Fallgruppen relevant sein: Normale Darlehen und Immobilienfinanzierungen einerseits und Autorkredite andererseits. Hier kann es Sinn machen, über einen Widerruf eine Umschuldung zu besseren Konditionen zu bekommen oder ein Diesel-PKW oder ein Fahrzeug mit manipulierten Abgaswerten loszuwerden.

 

Praxistipp

Wenn man zum Anwalt geht, um sich beraten zu lassen, ob ein Widerruf möglich ist, sollte man immer danach fragen, ob das auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Hintergrund ist eine sehr komplizierte Berechnung der gegenseitigen Leistungen nach einem Widerruf. Zwar ist in vielen Fällen ein Widerruf möglich, aber er ist wirtschaftlich nicht immer sinnvoll. In jedem Fall müssen die Kosten für den Anwalt und eventuell Gericht einem finanziellen Vorteil gegenübergestellt werden. Nur wenn der Vorteil größer ist als die Kosten, macht es überhaupt Sinn.

 

 

„Zwar ist in vielen Fällen ein Widerruf möglich, aber er ist wirtschaftlich nicht immer sinnvoll. […] Nur wenn der Vorteil größer ist als die Kosten, macht es überhaupt Sinn.“

 

 

MARC GERICKE

MARC GERICKE

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Gericke Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Er berät vornehmlich in bankrechtlichen Themen und im Zivil-, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht und hat schon viele erfolgreiche gerichtliche Verfahren gegen Banken und Finanzdienstleister geführt. Dabei geht es oft um juristisch komplexe Themen, die verständlich erklärt werden müssen.

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