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Strafbarkeitsfallen im Alltag 2.0

Während meiner Tätigkeit als Staatsanwältin und auch als Richterin habe ich von den Angeklagten oft glaubhaft zu hören bekommen, sie hätten nicht gewusst, dass sie mit ihrem Verhalten gegen eine Strafnorm verstoßen. Doch bekanntlich schützt Unwissenheit vor Strafe nicht. Dies ist nicht nur eine Volksweisheit, sondern auch ein Rechtsgrundsatz. Denn insbesondere in der uns heute informationell erschlossenen Welt besteht die Möglichkeit, sich mit der einschlägigen Vorschrift bekannt zu machen. Gesetzeskenntnis ist also nicht vonnöten. Vollkommen ausreichend ist das Bewusstsein, Unrecht zu tun. Sie fragen sich, wie das gehen soll? Nun, das werde ich Ihnen anhand der nachfolgenden Fälle aufzeigen.

 

 

„Doch bekanntlich schützt Unwissenheit vor Strafe nicht. Dies ist nicht nur eine Volksweisheit, sondern auch ein Rechtsgrundsatz. […] Vollkommen ausreichend ist das Bewusstsein, Unrecht zu tun.“

 

 

Zettel am Fahrzeug hinterlassen

Beginnen wir mit einer Situation, die Sie, auch ohne moralisch flexible Einstellung ereilen kann. Sie möchten kurz vor der Arbeit in Ihren Pkw steigen, machen die Fahrertür auf, greifen noch schnell in Ihre Tasche und plötzlich: ein Windstoß schlug die Fahrertür gegen den nebenan geparkten Pkw und verursachte an diesem einen unschönen Kratzer. In Ihrer Eile sind sie dennoch pflichtbewusst und schreiben auf einem Zettel Ihre Personalien auf, welchen Sie hinter den Scheibenwischer des beschädigten Pkws klemmen. Anschließend fahren Sie zügig los. Natürlich ist Ihnen bewusst, dass Sie zumindest die Polizei rufen sollten, allerdings ist es Ihnen wichtig, pünktlich zum Meeting zu erscheinen. Und schon ist es geschehen: Sie haben sich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort – umgangssprachlich Fahrerflucht – strafbar gemacht.

 

 

„Sollte der Unfallgeschädigte nicht vor Ort sein, ist es also besonders wichtig, entweder auf diesen vor Ort zu warten oder […] eine nahegelegene Polizeidienststelle zu kontaktieren.“

 

 

Kamen Ihnen keine Zweifel daran auf, dass der Zettel durch Wind und Wetter unkenntlich gemacht oder sogar verloren gehen könnte? Der Besitzer des anderen Pkws würde Sie dann niemals ausfindig machen können und auf seinem Schaden sitzen bleiben. Fahrerflucht ist kein Bagatelldelikt. Es droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Außerdem droht ein Fahrverbot oder sogar die Entziehung der Fahrerlaubnis. Sollte der Unfallgeschädigte nicht vor Ort sein, ist es also besonders wichtig, entweder auf diesen vor Ort zu warten oder – sollte dieser nach einer angemessenen Zeit nicht erscheinen – unverzüglich nachträglich den Geschädigten oder eine nahegelegene Polizeidienststelle zu kontaktieren. Wer an Ort und Stelle bleibt und die Polizei verständigt ist jedenfalls auf der sicheren Seite.

 

Mit dem Familien-Pkw für die praktische Fahrprüfung üben

Weitaus mehr dürfte der moralische Kompass bei der folgenden Situation ausschwingen: Der Sohn fragt seine Eltern, ob diese mit ihm in ihrem Pkw vor der Fahrerlaubnisprüfung für die Führerscheinklasse B üben könnten. Natürlich möchten die Eltern ihrem Sohn vor der Prüfung zu etwas mehr Sicherheit verhelfen, auch um die Familienkasse zu schonen. Ohnehin fehlt ihm zum Führerschein nach vielen absolvierten Fahrstunden nur noch die Fahrerlaubnisprüfung. Die Mutter stellt deshalb Ihren Pkw zum Üben zur Verfügung. Der Vater fährt als Beifahrer mit, um dem Sohn Hilfestellungen zu leisten. Während sich der Sohn offensichtlich des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar gemacht hat, dürfte für die meisten überraschend sein, dass sich der Vater der Beihilfe zum Fahren ohne Fahrerlaubnis und die Mutter als Pkw-Halterin des vorsätzlichen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar gemacht hat.

 

So nachvollziehbar die Erwägungen der Beteiligten auch sein mögen: Der Sohn hatte die erforderliche Fahrerlaubnis noch nicht und hat damit die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet. Im Ernst, ich habe schon so einige Ermittlungsverfahren geführt, weil während solcher Übungsfahrten nicht nur ein Parkplatzrempler verursacht worden ist, sondern der Familienrat es weiterhin für richtig erachtet hat, vermeintlich unbemerkt nach Hause zu fahren. Wie oben verdeutlicht, war dies in vielfacher Hinsicht eine schlechte Idee. Auch das vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis ist für die Täter mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht.

 

Nebentätigkeiten als Sozialhilfeempfänger nicht melden

Des Weiteren begegnete mir häufiger der Fall, dass Empfänger von Sozialleistungen (sei es Arbeitslosengeld, Elterngeld oder BAföG) dem Amt nicht mitteilten, wenn sie einer Nebenbeschäftigung nachgingen. Dies hatte nämlich einen verminderten Leistungsanspruch zur Folge. Doch das Gesetz hält auch für derartige Situationen eine Strafnorm bereit, was den wenigsten bewusst ist. Wenn es sich hierbei nachweisbar um bewusstes Verschweigen handelt, steht die Straftat des Betruges im Raum. Dieser ist mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht. Strafbar ist demnach nicht nur, wenn man  im Sozialhilfeantrag falsche Angaben macht, sondern auch, wenn man dem Amt nachträgliche Veränderungen bewusst nicht mitteilt. Denn es besteht die Verpflichtung, jede Änderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse kurzfristig mitzuteilen. Hat man eine Mitteilung nur versehentlich vergessen, handelt es sich lediglich um eine Ordnungswidrigkeit.

 

 

„Es hält sich das hartnäckige Gerücht, dass der Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum legal sei. Tatsächlich ist ausschließlich der Konsum von Cannabis […] erlaubt. Alles andere, wie etwa der Besitz bereits geringer Mengen Cannabis, ist jedoch verboten.“

 

 

Besitz von Cannabis

Kommen wir zur letzten Strafbarkeitsfalle. Es hält sich das hartnäckige Gerücht, dass der Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum legal sei. Tatsächlich ist ausschließlich der Konsum von Cannabis, wie auch der aller anderer Betäubungsmittel, erlaubt. Alles andere, wie etwa der Besitz bereits geringer Mengen Cannabis, ist jedoch verboten. Dabei kommt es nicht auf den THC-Gehalt an. Cannabis ist damit grundsätzlich auch dann verboten, wenn keinerlei THC enthalten ist. Jedoch kann die Staatsanwaltschaft ein Verfahren einstellen, sofern nur geringe Mengen Cannabis zum Eigenkonsum im Besitz waren. Das muss sie jedoch nicht. Und wann genau eine geringe Menge vorliegt, wird von den einzelnen Bundesländern unterschiedlich bewertet. Die Grenze wird zumeist bei 6g brutto gezogen. Die Einstellung erfolgt zudem in der Regel nur bei Ersttätern. Doch auch, wenn das Verfahren eingestellt wird, können noch Konsequenzen von anderen Behörden drohen, wie beispielsweise der Entzug der Fahrerlaubnis und die Anordnung einer MPU durch die Fahrerlaubnisbehörde.

 

Fazit

Sie sehen also, dass sich nicht nur Schwerstverbrecher, sondern auch Durchschnittsbürger leicht strafbar machen können. Ich kann Sie jedoch beruhigen: In der Regel dürfte für diese Delikte nicht das Gefängnis drohen.

 

 

MARTINA FLADE

ist seit 2021 als Richterin auf Probe am Amtsgericht Chemnitz mit Strafsachen gegen Erwachsene betraut. Zuvor war sie als Staatsanwältin tätig.

 

Auf Instagram gibt sie Einblicke in das Berufsleben einer Richterin und erklärt aktuelle und grundsätzliche Rechtsthemen verständlich für jedermann.

 

Ihr Kredo: Gesetze sollten für jeden verständlich sein, für den sie gemacht worden sind!

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