5 Monate ist es nun her, seitdem ich meine kleine Tochter bekommen habe. Und ich habe irgendwie das dringende Bedürfnis, mit so einigen Mythen und Annahmen zum Thema „Karriere und Kind“ aufzuräumen – zumindest dort, wo es aus meiner Sicht nötig ist. Es ist mir natürlich schon klar, dass es bei mir eventuell anders ablief und immer noch abläuft – alleine schon, weil ich selbstständig bin und mein Kind auch „erst“ 5 Monate alt ist.
An dieser Stelle schießt bei vielen Lesern und Leserinnen bestimmt schon ein „Warte mal ab, bis…“ wie ein Blitzschlag ins Gehirn, mit dem dringenden Bedürfnis, das auch loszuwerden – sonst explodiert man vermutlich. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb man diesen Satz öfter hört, als Bon Jovi auf Antenne Bayern. Wie gut, dass diese Kolumne keine Kommentarfunktion hat.
Der Grund, warum ich dennoch darüber schreiben will, ist ganz einfach: Ich selbst hätte gerne so etwas vorher gelesen, denn bei mir lief irgendwie alles ein bisschen anders ab, als ich es erwartet hätte – sowohl negativ als auch überraschend positiv.
„Die Schwangerschaft ist eine gaaanz tolle Zeit!“
Heilige Maria!!! Irgendwie hatte ich zuvor immer nur gesehen, wie glückselig wirkende Frauen mit einem zarten Lächeln ihren Bauch streichelten und nur so strahlten. War bei mir nicht so. Ich hatte keines dieser „Schwangerschafts-Glow-Ups“, sondern ich bekam leider das Glow-Down-Paket geliefert. Sowohl mein Körper als auch meine Psyche wurden so kreativ wie noch nie zuvor, sich Möglichkeiten auszudenken, wie man mich bestmöglich nerven könnte. Ich habe wirklich jeden Mist mitgenommen. Habt ihr zum Beispiel gewusst, dass es sowas wie „Schwangerschafts-Rhinitis“ gibt? Nein? Das bedeutet: Du hast die komplette Schwangerschaft über eine verstopfte Nase. Jupp, das war sehr schön! Und diese Müdigkeit und Erschöpfung!!! Das war mit Abstand das Schlimmste. Ich bin morgens schon müde aufgewacht und alltägliche Sachen wie Duschen, mit dem Hund Gassi gehen oder den Müll heraustragen fühlten sich wie ein Marathon an. Konzentriert arbeiten war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Ich habe mich irgendwie so mit Powernaps von Termin zu Termin gekämpft.
Das, was jedoch die allermeisten Personen mit einer Schwangerschaft verbinden, sind Übelkeit und Heißhungerattacken. Doch die waren mein geringstes Problem. Wobei ich auch mal im Supermarkt stand und bitterlichst geweint habe, als es exakt den Himbeerjoghurt, den ich wollte, nicht mehr gab. Meine beste Freundin hat ihn mir dann extra besorgt und mein Partner hat sich dafür aufrichtig und von ganzem Herzen bei ihr bedankt. Ich denke, das sagt schon so einiges.
Und hinzu kommt noch, dass man einfach dick wird. Auch wenn man sowas natürlich weiß und das komplett normal ist, ist es trotzdem psychisch belastend, zu sehen, wie sich der eigene Körper verändert und man in nichts mehr hineinpasst. Doch nicht nur, dass sich der Körper optisch verändert, sondern er gehört einem auch gefühlt gar nicht mehr. Egal, ob das wegen all den Dingen ist, die man essen oder nicht essen, tun oder unterlassen sollte, ob das ist, weil die meisten Menschen sich nur noch nach dem Baby erkundigen, aber nicht mehr nach dir oder ob das die Arztbesuche sind, bei denen man irgendwann ab der 26. Nadel im Arm schon gar nicht mehr erklärt bekommt, wofür das nun eigentlich ist, geschweige denn gefragt wird, ob man das überhaupt möchte. Natürlich möchte man es ja dem Baby zuliebe… aber trotzdem wäre es ab und an einfach nett, wenn man das Gefühl vermittelt bekommt, dass man auch noch außerhalb seiner Brustkastenfunktion gesehen und ernst genommen wird.
Sobald man sich aber über irgendwelche Umstände beschwert, hört man von allen immer nur: „Du bist schwanger – das war doch klar. Sei mal lieber dankbar!“ An alle, die das lesen, ein kleiner und überraschender Tipp:
Das hilft leider kein bisschen. Das ist in etwa so, als würde man zu jemandem, der sich über seine Arbeit beschwert, sagen: „Den Job hast du dir doch selbst ausgesucht. Also jammere nicht. Sei froh, dass du einen hast, andere haben keinen!“.
Gott sei Dank wurde es ab dem zweiten Drittel der Schwangerschaft zunehmend besser. Dennoch habe ich mich schon währenddessen wie die mieseste Mutter überhaupt gefühlt, wenn man überall liest, hört und sieht, wie toll so eine Schwangerschaft angeblich sein soll. Dass das auch anders laufen kann, wurde mir erst bewusst, als ich mal eine etwas ehrlichere Story auf Instagram gepostet hatte und ich daraufhin mit Nachrichten von Müttern überschwemmt wurde, bei denen es genauso oder sogar noch schlimmer war.
„Warte erst mal ab, bis das Kind da ist…“
Egal, was man über die Schwangerschaft erzählt – sei es etwas Gutes oder auch Schlechtes – man hört immer diesen Satz, mit dem man dir eintrichtern will, dass es erst danach so richtig schlimm und stressig wird. „…du wirst keine Nacht mehr durchschlafen“, „…du hast keine Zeit mehr für dich.“, „…du wirst definitiv so schnell nicht wieder arbeiten können.“ usw.
Während die Schwangerschaft also in der öffentlichen Wahrnehmung total romantisiert wird, wird die Zeit nach der Geburt irgendwie total dramatisiert. Bei mir ist jedoch das Gegenteil von beidem eingetreten; während mich meine Schwangerschaft wirklich brutal herausforderte, sowohl psychisch als auch physisch, ist das Leben (und Arbeiten) mit Baby nun wesentlich entspannter und um ein tausendfaches schöner, als ich jemals vermutet hätte! Ich hatte noch nicht eine einzige Nacht, in der ich mehr als einmal kurz aufstehen musste. Und seitdem sie ca. drei Monate alt ist, schläft sie sogar die allermeisten Nächte komplett durch. Dann ist sie mal kurz wach, wird gewickelt, gefüttert, lacht, lässt meine Glückshormone in die Höhe schießen, schläft dann wieder ein, ich mache mich an meine To Do’s und freue mich sogar schon darauf, wenn die Kleine endlich wieder aufwacht und ich mich mit ihr beschäftigen kann. Dieser Zyklus wiederholt sich dann solange, bis sie abends wieder gegen 22 Uhr einschläft – und ca. bis morgens um 09:00 Uhr durchschläft. Natürlich kann es auch anders laufen, aber es kann eben auch so laufen!
„Karriere oder Kind – Such‘ dir aus, was du lieber vernachlässigst.“
So in etwa klang das immer für mich. Entweder hörte ich von Frauen, die direkt wieder mit der Arbeit loslegten und dafür als Rabenmütter abgestempelt wurden oder aber von Frauen, die sich Zeit für ihr Kind nahmen und ihre Karriere später enorm darunter litt. Etwas dazwischen habe ich nicht wirklich mitbekommen.
Ich habe mich jedoch genau für so einen Mittelweg entschieden und auch entscheiden müssen. Denn als Selbstständige hat man einerseits natürlich sehr viel Freiheit, sich seine Arbeitszeit flexibel einzuteilen und sie nach dem Kind auszurichten. Andererseits hat man aber auch den finanziellen Druck, da es keinen Arbeitgeber gibt, der einem einfach so weiter Gehalt zahlt. Teilweise muss man sogar während der Schwangerschaft schon für die Babypause vorarbeiten. Doch selbst wenn finanziell keine großen Probleme bestehen sollten, hat man in so einer Situation wie ich sie habe, trotzdem die Angst, sein „Start-Up-Baby“ gewissermaßen verhungern zu lassen, wenn man es über eine Weile hin nicht mit Zeit und Energie füttert.
Es scheitert in solchen Fällen also nicht an der grundlegenden Motivation, Bereitschaft oder gar Kompetenz, sondern schlichtweg an den organisatorischen Umständen.
Nach etwa einem Monat, in dem ich wirklich nichts gemacht habe, fing ich so laaangsam wieder an, zu arbeiten. Mittlerweile arbeite ich zwar nur wenige Stunden am Tag, schaffe in dieser Zeit aber wesentlich mehr, als zuvor in der gleichen Zeit. Man entwickelt sich erstaunlicherweise in Höchstgeschwindigkeit zu einem wahren Effizienzwunder und lernt, enorm schnell und gut zu priorisieren, was wirklich wichtig ist und was nicht. Konzentrationsarbeit wird morgens erledigt, wenn das Kind noch eine Weile schläft und man mehr Zeit hat, sich in die Dinge „reinzudenken“ – stupidere Aufgaben können später immer mal zwischendurch abgearbeitet werden. Content bleibt vielleicht mal auf der Strecke, die Vorbereitung des Workshops aber nicht. Eine spannende und lukrative Projektanfrage wird sofort beantwortet, wohingegen eine Mail mit der Bitte um einen Fachartikel in einem Blog auch noch ein paar Tage auf eine Antwort warten kann. Ich arbeite nun zwar weniger, dafür aber besser. Es ist faszinierend, wie schnell und vollkommen automatisch man sich anpasst und dazulernt. Und das, obwohl man mit seinem ersten Kind keinerlei Anleitung bekommt – weder für das Kind selbst, noch für die Arbeit, die man währenddessen erledigen muss.
Und dann glauben Arbeitgeber trotz jahrelangem Studium und einschlägiger Berufserfahrung, dass „Es tut mir leid, aber Sie haben nicht genug Erfahrung für diesen Job“ ein gutes Argument sei… wäre die Natur genauso drauf, wären wir alle schon seit Jahrtausenden ausgestorben.
Dieser Mittelweg, den ich gewählt habe, war der beste Weg, den ich mir persönlich hätte vorstellen können. Auch wenn es natürlich manchmal nervt, im Hinterkopf zu haben, dass man noch wichtige Mails beantworten oder eine Kolumne schreiben muss, wenn man einfach nur mit dem Baby kuscheln will. Aber ich kann arbeiten und gleichzeitig sehr viel Zeit mit meiner Tochter verbringen. Ich finde sogar, dass die Kombination aus geistig herausfordernder Arbeit auf der einen Seite, wo man am Ende des Tages Ergebnisse sieht (auch wenn’s nur ein paar gesendete E-Mails sind) und eher simpler, repetitiver Arbeit mit Kind (Füttern, Wickeln etc.) auf der anderen Seite enorm gut harmoniert! Es gleicht mich total aus. Es muss also nicht immer ein „Entweder-Oder“ sein, sondern es ist mit einem guten Arbeitgeber (vor allem dann, wenn man sein eigener ist…) auch beides gleichzeitig möglich.
„Unter einem Kind leidet die Motivation für die Arbeit.“
Ein klares „Jein“ an dieser Stelle. Natürlich würde ich nun lügen, wenn ich sage, dass ich lieber Buchhaltung mache, als mit meiner Tochter zu spielen. Oder wenn ich behaupte, dass ein Videocall-Termin höhere Priorität hat, als mich um mein erkältetes Kind zu kümmern. Und wenn ich eine Dozentenstelle angeboten bekomme, in der ich mehrmals im Jahr jeweils vier Tage Präsenzunterricht in irgendwelchen weit entfernten Großstädten halten müsste, dann lehne ich das auch ab, weil ich einfach (noch) nicht so lange von meinem Kind getrennt sein will und es immerhin auch andere Möglichkeiten gäbe, wie zum Beispiel, die Vorlesungen (zumindest teilweise) online zu halten. Es scheitert in solchen Fällen also nicht an der grundlegenden Motivation, Bereitschaft oder gar Kompetenz, sondern schlichtweg an den organisatorischen Umständen.
„Und dann glauben Arbeitgeber, (…) dass „Es tut mir leid, aber Sie haben nicht genug Erfahrung für diesen Job“ ein gutes Argument sei… wäre die Natur genauso drauf, wären wir alle schon seit Jahrtausenden ausgestorben.“
Abgesehen von ein paar einzelnen Fallkonstellationen, stelle ich jedoch fest, dass meine Motivation, einen guten Job zu machen und mein Unternehmen voranzubringen, mit Kind sogar größer ist als zuvor. Und das liegt nicht einmal am finanziellen Aspekt… wobei (machen wir uns mal nix vor) so eine Villa mit Garten, Pool, ein paar Putzkräften, Köchen und Chauffeuren natürlich auch hier und da ganz hilfreich wären…
Vielmehr finde ich es aber intrinsisch unfassbar motivierend, durch meine Arbeit zu einem Vorbild für meine Tochter werden zu können. Ich kann ihr auf diese Art vorleben, dass man so Vieles schaffen kann, wenn man an sich selbst glaubt, auch wenn es andere nicht getan haben. Dass man auch als Frau Kind und Karriere miteinander vereinbaren kann und sich nicht entscheiden muss, wenn man sich nicht entscheiden möchte. Und dass man Dinge nicht so tun muss, wie sie schon immer getan wurden, sondern dass man auch kreativ werden und neue, bessere Wege finden kann.
Zudem sind eigene Ziele in Beruf und Karriere meiner Meinung nach auch gesund – sowohl für sich selbst als auch für das Kind. Denn früher oder später werden Kinder auch älter und unabhängiger. Ich möchte später nicht irgendwann mal dastehen, in ein Loch fallen, mir krampfhaft eine neue „Aufgabe“ suchen müssen und am Ende noch die Gefahr eingehen, meinem Kind – wenn auch nur insgeheim – vorzuhalten, was ich ihm zuliebe alles aufgegeben habe.
Das, was zwischen Baby und Business liegt – ein kleines Fazit:
Baby und Business miteinander zu vereinen, kann weitaus besser möglich sein, als man denkt. Mir persönlich fällt es sogar um einiges leichter und bereichert mich (und auch meine Arbeit!) mehr, als ich mir hätte erträumen können.
Letzte Woche lag ich zum Beispiel erst mit schlafendem Kind auf meinem Bauch im Bett und führte nebenbei eine Projektbesprechung am Telefon mit einer Bank durch, bei Zoom-Meetings gibt’s nun öfter mal spontan eine Teilnehmerin mehr und gerade eben während ich diese Zeilen schreibe, sitzt meine Tochter auf meinem Schoß und gluggst so vor sich hin.
Und dabei dachte ich immer, so ein Kind sei eine unglaubliche Last. Aber das ist es nicht. So ein Baby macht natürlich Arbeit, ja. Meins wohl etwas weniger als andere, aber eine Last ist es sicher nicht! Dieser Begriff, der so häufig von Karriere-Frauen verwendet wird, die über ein Kind nachdenken, verschwindet spätestens dann aus dem Wortschatz, sobald das Baby da ist und die Hormone ihren großartigen Job machen.
Das wohl größte Problem, das ich persönlich in der aktuellen Situation habe, ist das, was zwischen Baby und Business liegt. Diesen Bereich nenne ich: Schuldgefühle und schlechtes Gewissen. Man kann irgendwie noch so effizient arbeiten, noch so gut priorisieren und sich noch so liebevoll um sein Kind kümmern – es bleibt immer etwas liegen. Man kann sich nur aussuchen, was genau. Das können an dem einen Tag E-Mails sein, an dem anderen Haushalt, Freunde, Sport oder die zu kurz geratene Gassirunde mit dem Hund und am am nächsten Tag hätte man das Kind ja vielleicht noch fünf Sekunden eher aus dem Bett holen können, als es geschrien hat, anstatt den einen Satz noch schnell fertig zu schreiben.
„Letzte Woche lag ich zum Beispiel erst mit schlafendem Kind auf meinem Bauch im Bett und führte nebenbei eine Projektbesprechung am Telefon mit einer Bank durch.“
Die Kunst ist also manchmal glaube ich gar nicht, Baby und Business zu vereinen, sondern zu lernen, die teilweise übertriebenen Anforderungen an sich selbst etwas herunterzufahren und das schlechte Gewissen abzustellen, das man irgendwie immer wegen irgendetwas hat. Ich für meinen Teil bin gerade dabei, genau das zu tun 😉