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PROF. DR. SABINE BOOS

PROF. DR. SABINE BOOS

Recht für Ingenieurwissenschaften

an der Hochschule für angewandte

Wissenschaften Heilbronn

 

TRAUMBERUF: RECHTSPROFESSORIN AN EINER HAW/FH

Wie es ist, Naturwissenschaftler*innen das Recht zu vermitteln

 

Die 3 Klassiker

„Auswendiglernen von Gesetzen! – Trocken! – Nie was von gehört!“ Das sind die Gedanken, die die angehenden Wirtschaftsingenieur*innen beim Brainstorming in der ersten Vorlesungsstunde im Fach Wirtschaftsrecht mit zuverlässiger Regelmäßigkeit ganz offen äußern. Kein Wunder: Das Fach Recht gehört zwar zum Pflichtprogramm des technisch-wirtschaftlichen Studiengangs Business Engineering Logistics, aber nicht zu den eigentlichen Kernfächern wie Logistik, Automatisierungs-technik und Supply Chain Management.

 

Die klassischen Herausforderungen und Vorurteile gegenüber der (Neben-) Fachdisziplin Recht müssen daher erst einmal überwunden werden:

 

Kein Auswendiglernen von Gesetzen! Denn: Es steht (fast) alles im Gesetz, man muss nur wissen, wo und wie’s gemeint ist! Die Kunst besteht darin, Systematik, Sprache und Prinzipien des Rechts zu kennen, einzuordnen und auf einen konkreten Fall anzuwenden.

 

Nicht sooo trocken! Klar, Recht hat mit Struktur zu tun und enthält abstrakte Rechtsregeln – dafür geht es aber auch immer um Fälle, die das Leben schreibt. Das Recht umgibt jede*n von uns in jeder Sekunde unseres Lebens:

 

Wir wohnen, wir arbeiten, wir kaufen ein, wir sind kreativ. Alles Themen, die z.B. Mietrecht, Arbeitsrecht, Kaufrecht, geistiges Eigentumsrecht betreffen.

 

Nie was von gehört? Korrekt und kein Wunder. Denn Recht wird in der Schule stiefmütterlich behandelt und – wenn überhaupt – in freiwilligen Arbeits-gemeinschaften oder am Rande im Politk- oder Sozialkundeunterricht gestreift.

 

 

Das Recht umgibt jede*n von uns in jeder Sekunde unseres Lebens: Wir wohnen, wir arbeiten, wir kaufen ein, wir sind kreativ. Alles Themen, die z.B. Mietrecht, Arbeitsrecht, Kaufrecht, geistiges Eigentumsrecht betreffen.

 

 

Zurück auf Null mit einem Bierchen

Wir starten also in der Rechtsvorlesung bei Null und mit den Grundlagen: Was ist der Unterschied zwischen einem Gesetz und einer Rechtsnorm? Wie ist ein Paragraf aufgebaut? Wie ticken Jurist*innen, und weshalb fragt man besser nicht (nur) die Patentrechtlerin, wenn man im Job eine zweifelhafte Abmahnung erhalten hat? Wie löst man einen juristischen Fall?

 

Die Studierenden aus den technischen Studiengängen – wie (Wirtschafts-) Ingenieurwesen, IT und Technical Management – erfassen und lernen schnell. Ihnen liegt die logische und strukturierte Denkweise in der Juristerei häufig sehr nahe.

 

Der Vergleich zwischen Jura und Mathe hinkt zwar ein wenig, aber auch ein juristischer Fall wird unter Heranziehung von Methoden (Auslegung/Anwendung; Subsumtion) einer Lösung zugeführt. Fast wie der Fall 3+4, der durch Addition (Methode) die Lösung 7 ergibt; nur ergänzt um den Faktor Mensch und Wertungsgesichtspunkte…!

 

Es ist jedenfalls – wie Goethe einmal schrieb – mit der Jurisprudenz „wie mit dem Merseburger Biere. Das erste Mal schaudert man und hat man’s eine Woche getrunken, so kann man’s nicht mehr lassen.“ Übung macht den Meister und die Meisterin.

 

Traumberuf

Nach fünf Jahren an der Hochschule Heilbronn bin nach wie vor begeistert, eine Rechtsprofessur innezuhaben, die die Rechtsvorlesungen an den technischen Fakultäten abdeckt. Jura für Technik- und IT-Studierende: Ein echtes Alleinstellungsmerkmal, denn normalerweise sind Rechtsprofessuren den juristischen oder betriebswirtschaftlichen Fakultäten zugeordnet.

 

Auch aufgrund meiner Spezialisierung im Patentrecht passt’s perfekt.

 

Freilich ist eine Leidenschaft für die Lehre und ein Faible für die Zusammenarbeit mit Studierenden ein Muss. Denn Lehre ist an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) – oder wie es in manchen Bundesländern heißt: Fachhochschule (FH) – Pflicht und Kür zugleich und wird ganz groß geschrieben. Die Lehre nimmt im Tagesgeschäft viel mehr Raum ein als an Universitäten: 18 Semesterwochenstunden à 45 Minuten umfasst die regelmäßige Lehrpflicht von Professor*innen, also 9 Vorlesungen von 90 Minuten pro Semester. Klingt auf den ersten Blick machbar, schließt allerdings die Vor- und Nachbereitung, Abnahme von Prüfungen und Betreuung von Studierenden noch nicht ein.

 

Die übrige Zeit ist mit Forschung, Publikationen, Fachvorträgen sowie der Mitarbeit in Hochschulgremien ausgefüllt. Hier bleibt auch Spielraum für eigene Schwerpunkte. Ich habe beispielsweise gerade ein Institut für Recht der innovativen Technologien (IRiT) gegründet und einen Weiterbildungslehrgang für Nicht-Jurist*innen konzipiert.

 

Ein Wermutstropfen sind die Ressourcen: So gehört das Ausdrucken von Klausuren, Erstellen und Pflegen der eigenen Websites und die Beaufsichtigung von Klausuren zu zeitraubenden Routineaufgaben, die die meisten Professor*innen an einer HAW/FH selbst erledigen. Arbeitsteilige Lehrstuhlteams wie an Universitäten mit wissenschaftlichen Mitarbeitenden und studentischen Hilfskräften sind kein Standard und nur bei drittmittelgeförderten Forschungs- oder Lehrprojekten realistisch.

 

 

Jura für Technik- und IT-Studierende: Ein echtes Alleinstellungsmerkmal, denn normalerweise sind Rechtsprofessuren den juristischen oder betriebswirtschaftlichen Fakultäten zugeordnet.

 

 

Auf dem Weg zur Professur

Anders als Universitätsprofessor*innen haben die allermeisten HAW-/FH-Professor*innen keine Habilitation oder habilitationsgleichen Veröffentlichungen in Grundlagenforschung, sondern mehrjährige Praxiserfahrung in der Wirtschaft gesammelt. Ich selbst war z.B. mehr als 10 Jahre als Rechtsanwältin im Patentrecht (neudeutsch: Patent Litigator) in einer internationalen Wirtschaftskanzlei tätig.

 

Der große Praxisbezug der Ausbildung an einer HAW/FH ist nicht nur durch die Berufserfahrung der Professor*innen gewährleistet, sondern auch durch ein praxisorientiertes Curriculum (Lehrplan): Exkursionen, Praxissemester, anwendungsbezogene Studienarbeiten und Bachelor-/Masterarbeiten in Kooperation mit Unternehmen gehören zum Hochschulalltag. Die Hochschule ist mit der regionalen Wirtschaft durch Wissens- und Technologietransfer eng verzahnt. Alles ist weniger theoretisch als an der Uni. Daher heißt es ja auch: Hochschule für angewandte Wissenschaften. Die Unterscheidung ist vielen Menschen nicht geläufig. Meist werden Universität und HAW/FH in einen Topf geworfen.

 

Auch das Berufsbild „Professor*in an einer HAW/FH“ ist wenig(er) bekannt. Für viele Praktiker*innen – etwa in wirtschaftsnahen Gebieten wie Ingenieurwesen, IT, BWL und Jura –, die Lehrerfahrung und Affinität zu Lehre und Forschung haben, wäre eine Hochschullaufbahn an einer HAW/FH eine interessante berufliche Alternative. Voraussetzung ist neben der mehrjährigen Berufserfahrung in aller Regel eine Promotion.

 

Wer also mittelfristig mit einer Professur an einer HAW/FH liebäugelt oder sich diesen Weg offenhalten möchte, sollte (1) promovieren, (2) Lehrerfahrung sammeln, z.B. durch einen Lehrauftrag an einer Hochschule, und (3) Interesse an Forschung dokumentieren, etwa durch gelegentliche Publikationen, Fachvorträge oder Mitwirkung bei (industriellen) Forschungsprojekten.

 

Frauen haben übrigens gute Chancen! Nach wie vor liegt der Anteil der Professorinnen weit unter dem Anteil der Professoren, vor allen Dingen (aber nicht nur) in den technischen Fachgebieten. Informationen erhalten weibliche Interessierte bei den Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen!

 

 

 

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