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Bildung, Empathie und Recht

INTERVIEW mit Mittelschulpädagogin Nadine Meiler über ihren Werdegang, die Herausforderungen und Freuden des Lehrens, die Rolle des Rechts in der Bildung und ihre Vision für eine gerechte Bildungslandschaft.

LL: Liebe Nadine, kannst du uns ein wenig über deinen Werdegang erzählen? Wie bist du zur Mittelschulpädagogik gekommen?

Nadine: Seit Kindheitstagen habe ich Freude daran, anderen etwas beizubringen und Wissen weiterzugeben – vor allem, seitdem ich als Schülerin festgestellt habe, dass ich mir selbst Dinge besser merke, sobald ich sie anderen verständlich aufbereite.

Der Wunsch, Lehramt zu studieren, schwebte schon lange in meinem Kopf herum, es stellte sich nach dem Abitur nur die Frage: Welche Schulart soll es denn nun werden? Als ich mein Studium begann, gab es Gymnasiallehrer und Realschullehrer en masse, schon damals machte sich jedoch der Lehrermangel an den Mittel- und Grundschulen in Bayern bemerkbar. Also absolvierte ich das für die Lehrämter vorgeschriebene Orientierungspraktikum. Eine Woche an einer Realschule, eine Woche an einer Grundschule und zwei Wochen an der Mittelschule. Wie es am Gymnasium ablief, wusste ich ja bereits aus eigener Erfahrung. So kam es, dass mir schließlich das Praktikum an der Mittelschule am besten gefiel. Der Lateiner würde sagen: „alea iacta est“.

„Um komplizierte Themen kind-/ jugendgerecht aufzubereiten und zu erklären, ist es zuallererst wichtig, mit den Gedanken eines Schülers an die Thematik heranzugehen.“

LL: Welche Fähigkeiten oder Eigenschaften hältst du für besonders wichtig, um als Mittelschullehrerin erfolgreich zu sein und wie schaffst du es, komplizierte Themen kind-/ jugendgerecht aufzubereiten und zu erklären?

Nadine: Geduld, starke Nerven und pädagogisches sowie didaktisches Geschick sind unerlässlich. Aber am wichtigsten ist meiner Meinung nach Empathie. Viele Mittelschüler stammen aus schwierigen familiären Verhältnissen und sind Problemen ausgesetzt, die sie in diesem Alter noch nicht bewältigen sollten. Vor allem nicht allein. Da ist es wichtig, dass man ein offenes Ohr für seine Schüler hat und ihnen zeigt: Du bist nicht allein, ich reiche dir eine helfende Hand. Hierbei ist es aber auch sehr wichtig, eine Grenze zum Privaten zu ziehen. Die Probleme der Schüler nehme ich nicht mit nach Hause.

Um komplizierte Themen kind-/ jugendgerecht aufzubereiten und zu erklären, ist es zuallererst wichtig, mit den Gedanken eines Schülers an die Thematik heranzugehen. Hier findet bei mir immer eine gedankliche Zeitreise statt, in der ich mich frage: Wo gab es Verständnisschwierigkeiten? Was hätte ich vielleicht zusätzlich gerne über diese Lerninhalte erfahren? Was war mir zu langweilig? Dann suche ich entsprechend interessantes Material und versuche, die Informationen für meine Schüler entsprechend in einer einfachen Sprache aufzubereiten. Denn leider sind Quellen und Sachtexte teilweise noch immer für Kinder und Jugendliche schwer verständlich. Hinzu kommt, dass Lese-Rechtschreibschwäche leider keine Seltenheit an den Mittelschulen ist und da ist eine einfache, schülergerechte Sprache mehr als notwendig.

LL: Gibt es bestimmte Strategien, die du nutzt, um sicherzustellen, dass die Jugendlichen das Thema wirklich verstehen?

Nadine: Kinder und Jugendliche lieben den Wettkampf. Gerade im Jugendalter wird ständig miteinander gewetteifert. Dies nutze ich natürlich aus und spiele nach Sachstunden oder auch Blöcken gerne Quizshow mit den Schülern. Das kommt gut an und die Lerninhalte bleiben so auch besser im Gedächtnis.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die stete Wiederholung. Je öfter man über eine Sache spricht und das Erlernte auch anwendet, desto besser wird es im Gedächtnis verankert.

LL: Welche Herausforderungen siehst du im Hinblick auf das Erläutern komplexer Themen und hast du Tipps für Eltern, wie sie ihren Kindern helfen können, diese besser zu verstehen?

Nadine: Ein Problem ist sicherlich, dass viele Schüler aus bildungsfernen Familien stammen. Es wird weniger gelesen, der Konsum von Social Media steigt. Das „Berieselnlassen“ hält Einzug in die Kinderzimmer. Nur nichts geistig Anstrengendes unternehmen, lautet die Devise. Das ist meiner Meinung nach ein großes Problem, denn die mangelnde Leistungs- und Denkbereitschaft lässt sich kaum wettmachen.

Um dem entgegenzuwirken, ist mein Rat an die Eltern: Reden, reden, reden. Kinder sind von Natur aus neugierig. Gerade im Kleinkindalter wird viel gefragt, der Wissensdurst ist immens. Man sollte sich Zeit nehmen, diese Fragen zu beantworten, Interessen der Kinder zu fördern – selbst, wenn man der Thematik persönlich nicht viel abgewinnen kann oder nicht viel darüber weiß. Hier kann man dem Kind gegenüber auch mal zugeben, dass man sich selbst nicht sicher ist. „Oh, das weiß ich jetzt selbst leider nicht genau, lass uns das gemeinsam herausfinden!“, wirkt oft Wunder. So sehen sich die Kinder vielleicht ermutigt, weiterhin Fragen zu stellen und ihr Wissen zu erweitern. Gemeinsame Recherche, sei es im Web, in kindgerechten Sachbüchern oder in Museen, die diese Interessen thematisieren, grundsätzlich alles, was Wissen erfahrbar macht, sollte den Kindern angeboten werden – das stärkt auch das Selbstvertrauen der Kinder. Sie fühlen sich dadurch wichtig, denn sie bringen ja indirekt auch den Eltern etwas bei.

„Als bayerische Lehrerin muss ich mich an verschiedene Verordnungen und Gesetze halten, einschließlich des Jugendschutzgesetzes, das bei Klassenfahrten eine große Rolle spielt.“

LL: Wie integrierst du Recht & Gesetz in deiner Rolle als Pädagogin in den Unterricht und kannst du uns ein konkretes Beispiel geben?

Nadine: Im Schulalltag begegne ich ständig rechtlichen Aspekten, angefangen bei der Aufsichtspflicht bis hin zu Zeugnisformulierungen und der Schweigepflicht. Als bayerische Lehrerin muss ich mich an verschiedene Verordnungen und Gesetze halten, einschließlich des Jugendschutzgesetzes, das bei Klassenfahrten eine große Rolle spielt.

Ein praxisnahes Beispiel für die Integration von Rechtsthemen in den Unterricht ist das Fach „Wirtschaft und Beruf“. Hier vermitteln wir in der achten Klasse die Rechte und Pflichten von Auszubildenden. Meiner Meinung nach ein sehr bedeutendes Thema, denn die meisten Mittelschulabsolventen beginnen unmittelbar nach dem Qualifizierenden Mittelschulabschluss eine Ausbildung in einem handwerklichen oder kaufmännischen Betrieb.

Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie als Azubi Rechte haben, nicht alles machen müssen, was ihnen so aufgetragen wird. Im gleichen Atemzug sollen sie aber auch wissen, dass sie genauso Pflichten haben, wie das Führen des Ausbildungsnachweises und das pünktliche Erscheinen am Arbeitsplatz.

Um den Schülern diese Rechte und Pflichten näher zu bringen, lassen wir sie in kleinen Rollenspielen Fallbeispiele üben. Sie müssen selbst abwägen, was erlaubt ist und was nicht. Anschließend lesen wir gemeinsam die entsprechenden Gesetzestexte und „übersetzen“ sie. Das Formulieren in eigenen Worten ist ein wichtiger Schritt zum Verstehen und zeigt mir, ob die Schüler das Gelesene wirklich verstanden haben.

„Es ist unerlässlich, dass Kinder ihre Rechte kennen und verstehen. Ich lege großen Wert darauf, dass sie sich bewusst sind, was sie selbst dürfen und was nicht mit ihnen gemacht werden darf.“

LL: Wie bereitest du die Kinder darauf vor, ihre Rechte zu verstehen und wahrzunehmen, und wie trägst du dazu bei, das Bewusstsein für rechtliche Themen bei ihnen zu fördern?

Nadine: Es ist unerlässlich, dass Kinder ihre Rechte kennen und verstehen. Ich lege großen Wert darauf, dass sie sich bewusst sind, was sie selbst dürfen und was nicht mit ihnen gemacht werden darf. In der Schule integriere ich diese Themen oft in den Klassenrat, diskutiere Fallbeispiele und lese kindgerechte Texte. Ein gutes Beispiel ist Astrid Lindgrens Geschichte „Über Frieden“, die ich gerne im Unterricht verwende, um Kinder über ihr Recht auf gewaltfreie Erziehung zu informieren.

Rechtliche Themen sind auch ein fester Bestandteil unseres täglichen Zusammenlebens und kommen in Fächern wie Geschichte, Sozialkunde oder Arbeitslehre zur Sprache. Ich diskutiere viel über Recht und Unrecht mit meinen Schülern und spreche über aktuelle Anliegen und Fälle aus ihrem Alltag. Wir sehen uns auch passende Dokumentationen an und lesen Erfahrungsberichte Betroffener, um ihnen diese Thematik nahe zu bringen.

Es ist wichtig, Kinder frühzeitig für das Thema Recht zu sensibilisieren. Selbst meinem zweijährigen Sohn versuche ich dies beizubringen, indem ich entsprechende Kinderbücher vorlese und Bilder dazu ansehe. Indem ich sein „Nein“ in gewissen Situationen akzeptiere, zeige ich ihm, dass ich ihn und seinen Willen respektiere. Dies trägt dazu bei, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen und ihn auf die Verantwortungen vorzubereiten, die mit dem Älterwerden kommen.

„Es ist wichtig, Kinder frühzeitig für das Thema Recht zu sensibilisieren.“

LL: Was wünschst du dir für die Zukunft der Lehre und Bildung in Deutschland und wie siehst du die Rolle des Rechts in dieser Zukunft?

Nadine: Ich hoffe auf eine Aufwertung und Wertschätzung des Lehrerberufs. Lehrer tragen eine große Verantwortung und ihr Beitrag wird oft unterschätzt. Die Arbeit, die wir als Lehrer leisten, geht weit über die Schulstunden hinaus und sollte entsprechend anerkannt werden.

Ein weiteres Anliegen ist die Verbesserung der Bezahlung in Grund- und Mittelschulen. Dies könnte dazu beitragen, den Lehrermangel zu beheben und die Bildungsangebote für Schüler zu erweitern. In kleineren Klassen könnten Kinder besser gefördert und ihre Talente besser erkannt werden. Dazu braucht es mehr Lehrkräfte, alternative Lernangebote und außerschulische Experten.

Ich sehe auch die Notwendigkeit, die Rechte von sozial schwächer gestellten Gruppen zu stärken, darunter Kinder, Rentner, Frauen und Alleinerziehende. Bürokratische Prozesse sollten vereinfacht und die Behördensprache verständlicher gestaltet werden. Kostenlose oder kostengünstigere Rechtsberatung für diese Gruppen könnte ihnen eine wichtige Stütze bieten.

Insgesamt sollte mehr Geld in die Bildung investiert werden, um diese Verbesserungen zu ermöglichen. Dies sind meine Wünsche und ich hoffe, dass sie Anstoß für weitere Diskussionen und Veränderungen geben können.

LL: Vielen Dank für deine Zeit und das aufschlussreiche Interview. Deine Leidenschaft für Bildung und Recht ist inspirierend und wir hoffen, dass deine Visionen für eine gerechtere Bildungslandschaft Wirklichkeit werden.

„Ich hoffe auf eine Aufwertung und Wertschätzung des Lehrerberufs. Lehrer tragen eine große Verantwortung und ihr Beitrag wird oft unterschätzt.“

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