Wie können wir in der Corona-Krise mit finanziellen Engpässen umgehen?
In der Wirtschaft wird‘s dramatisch: Umsätze brechen weg, Kosten bleiben, die Finanzklemme ist da. Corona stellt viele Betriebe und deren Arbeitnehmer vor gewaltige Probleme und drängt sie sogar in die Zahlungsunfähigkeit. Doch der Gesetzgeber hat Wege eröffnet, um das Schlimmste zu verhindern.
Bankrott, Pleite, Insolvenz ‒ die prekäre Situation der Zahlungsunfähigkeit trifft Schuldner wie Gläubiger, die beide durch einen Vertrag miteinander verbunden sind. Das kann ein Arbeits- oder Miet-, Kauf- oder Kreditvertrag sein. Wenn Arbeitgeber, Mieter, Käufer oder Kreditnehmer nicht mehr zahlen, kommen Arbeitnehmer, Vermieter, Verkäufer oder Banken in die Bredouille. Um dieses Problem zu lösen, gibt es verschiedenste Rechtsregeln; für die drohende oder gar schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit im Insolvenzrecht.
Was hat die Politik getan, um aktuelle Finanzklemmen einzudämmen?
Neben staatlichen Liquiditätshilfen hat der Gesetzgeber die strengen Insolvenzregeln gelockert. So muss ein Unternehmen als Schuldner das Insolvenzverfahren normalerweise innerhalb von drei Wochen beantragen, damit sich die finanziellen Probleme nicht noch weiter auftürmen. Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie wurde diese Antragspflicht vom 1. März bis 30. September 2020 vorübergehend ausgesetzt und inzwischen bis 31. Dezember 2020 verlängert. Dies gilt allerdings nur für die diejenigen, die überschuldet sind und noch irgendwie zumindest teilweise Zahlungen leisten können. Wer dagegen bereits zahlungsunfähig ist, muss seit dem 1. Oktober wieder regulär einen Insolvenzantrag stellen.
Schauen wir uns hier zwei Seiten in den Betrieben an: Geschäftsführer, die handeln und für ihre Entscheidungen haften müssen. Und Arbeitnehmer, die davon betroffen sind.
Was müssen Geschäftsführer eines Unternehmens beachten?
Die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, obliegt nicht allen, die einen Betrieb zu verantworten haben. So sind etwa Freiberufler, Selbständige, Gewerbetreibende oder Landwirte davon ausgenommen. Anders die Geschäftsführer von Genossenschaften oder von Kapitalgesellschaften wie z. B. einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Aktiengesellschaft (AG). Sie müssen handeln, und zwar so früh wie möglich:
Bei bestehender Zahlungsunfähigkeit:
Ein Unternehmen muss stets in der Lage sein, alle fälligen Zahlungspflichten zu decken. Kann es diese nicht innerhalb von drei Wochen mindestens zu 90 Prozent tilgen, gilt es als zahlungsunfähig. Dann muss sofort ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden. Sollte die Zahlungsunfähigkeit nur bevorstehen („drohen“), besteht noch keine Antragspflicht.
Bei Überschuldung:
Sobald das Vermögen des Unternehmens seine bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und seine ordnungsgemäße Weiterführung nicht mehr wahrscheinlich ist, gilt es als überschuldet und muss ebenfalls einen Insolvenzantrag stellen.
Das macht Druck. Um diesen in der außergewöhnlichen Belastungssituation durch die Corona-Krise von den Betrieben zu nehmen, legt § 1 des neuen Gesetzes fest: Wenn die Insolvenz eine Folge der Pandemie ist, dann bleibt die Antragspflicht bis zum 31. Dezember 2020 ausgesetzt. Damit können sich Unternehmen wieder etwas Luft verschaffen.
Doch das gibt den Geschäftsführern keinen Freibrief. Sie müssen nach wie vor in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwenden. Tun sie das nicht, haften sie ihrer Gesellschaft für den entstandenen Schaden.
Mehr als sonst verlangen Krisenzeiten extreme Sorgfalt. Erfahrene Insolvenzanwälte raten, worauf Geschäftsführer jetzt besonders achten sollten:
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- Vereinbarungen nur schriftlich treffen.
- Vorgänge gründlicher als gewöhnlich dokumentieren.
- Entscheidungen mit weitreichenden Auswirkungen und großem Finanzumfang unbedingt zusammen mit den Gesellschaftern treffen.
- Zahlungsaufschub aushandeln – mit klaren Konditionen (Frist, Rate, Abschlusszahlung, Zinsreduktion).
- Die Hausbank bei allen wirtschaftlichen Vorhaben miteinbeziehen.
Welche Hilfen bekommen die Arbeitnehmer?
Im April waren es bereits sechs Millionen Arbeitnehmer, die wegen der Corona-Krise in der Kurzarbeit gelandet sind. Dieses Instrument soll vor dem Jobverlust retten und ist von der Bundesregierung im September zugunsten der privaten Haushalte ausgeweitet worden.
Was ist Kurzarbeit?
In besonderen Krisensituationen, wenn z. B. Unternehmen ihre Produktion oder Dienstleistung herunterfahren oder sogar ganz einstellen müssen, erbringen Arbeitnehmer weniger Arbeitszeit als in ihrem Vertrag festgelegt ist. Der Arbeitgeber kann dann bei der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeit anmelden und Kurzarbeitergeld beantragen.
Was ist Kurzarbeitergeld?
Eine Leistung des Staates aus der Arbeitslosenversicherung. Das Kurzarbeitergeld gleicht den Verdienstausfall der Mitarbeiter teilweise aus. So können Arbeitsplätze erhalten bleiben, obwohl nach der aktuellen finanziellen Situation des Unternehmens Entlassungen notwendig wären.
Bis wann gibt es Kurzarbeitergeld?
Die Bundesregierung hat die Coronabedingte Zahlung des Kurzarbeitergeldes auf bis zu 24 Monate verlängert, maximal bis Ende 2021.
Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld?
Das Kurzarbeitergeld wurde von 67 Prozent auf 70 Prozent des Lohns (für Berufstätige mit Kindern auf 77 Prozent) erhöht. Diese Erhöhungen greifen ab dem vierten Monat Kurzarbeit. Ab dem siebten Monat erhalten die Arbeitnehmer 80 beziehungsweise 87 Prozent. Von der Erhöhung profitieren alle Arbeitnehmer mit Eintritt in Kurzarbeit bis zum 31. März 2021.
Was ist das Insolvenzausfallgeld?
Kommt es dennoch zu einem Insolvenzereignis, bezieht der Mitarbeiter über die Bundesagentur für Arbeit auf Antrag den Lohn, der über einen Zeitraum von 3 Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aussteht, und zwar in der Höhe des gewöhnlichen Nettogehalts.
Zu guter Letzt:
Der Gesetzgeber hat am Donnerstag in der Vorweihnachtswoche beschlossen, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen erneut zu verlängern, und zwar bis zum 31. Januar 2021. Begründet wird es damit, dass betroffene Firmen sonst Insolvenz beantragen müssten, nur weil die staatlichen November- und Dezemberhilfen noch nicht angekommen sind.
Leonberg, 20.12.2020
RÜDIGER SCHMIDT
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Insolvenzrecht in der Region Stuttgart.
Ihn hat schon immer alles interessiert,
was mit der Wirtschaft zusammenhängt.
Deshalb hat er zuerst Bankkaufmann gelernt,
dann Jura studiert und sich auch in diesem Rahmen besonders
mit der Ordnung wirtschaftlicher Beziehungen befasst.