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Insights aus dem EU-Parlament

INTERVIEW mit Axel Voss über die Arbeit im EU-Parlament, seine Idee von einem digital souveränen Europa und warum wir alle Fans der EU sein sollten.

 

 

LL: Lieber Herr Voss, Sie sind seit 13 Jahren als Abgeordneter im Europäischen Parlament tätig. Viele Jurist:innen machen um Europarecht einen großen Bogen – warum war das bei Ihnen anders?

 

Voss: Ich war schon immer von der europäischen Idee sehr begeistert und hatte mich daraufhin auch im Studium und im Referendariat für das Wahlfach Europa- und Völkerrecht entschieden. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht und war durch die Komplexität immer eine spannende Herausforderung. Nach dem Referendariat hatte ich die Möglichkeit, mich als sog. Bürgerberater bei der Europäischen Kommissionsvertretung in Bonn noch intensiver mit dem Europarecht und hier insbesondere mit dem europäischen Freizügigkeitsrecht auseinanderzusetzen.

 

 

LL: Was versteht man eigentlich unter Europarecht? Wie würden Sie das einem Laien oder einer Laiin erklären?

 

Voss: Unter Europarecht versteht man die gesamte Gesetzgebung, die vom europäischen Gesetzgeber, also dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union, auf Initiative der Europäischen Kommission verabschiedet wurde. Hinzu kommt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg.

 

„Frieden, Freiheit und Wohlstand, wie wir es heute haben, verdanken wir der EU. Gleichzeitig ist sie Antreiber für die Mitgliedstaaten, sich besser auf die Herausforderungen vorzubereiten und diese zu bestehen.“

 

 

LL: Wo sehen Sie persönlich die Stärken, aber auch die Schwächen der EU?

 

Voss: Die Stärken der Europäischen Union liegen eindeutig in der Entwicklung einer gemeinsamen Zukunft und der Bewältigung der mittlerweile extremen Herausforderungen und Krisen. Frieden, Freiheit und Wohlstand, wie wir es heute haben, verdanken wir der EU. Gleichzeitig ist sie Antreiber für die Mitgliedstaaten, sich besser auf die Herausforderungen vorzubereiten und diese zu bestehen. Durch die Kompromissfindung der unterschiedlichen Parteien auf der einen und den nunmehr 27 Mitgliedstaaten auf der anderen Seite kommt es nie zum Stillstand.

 

Die Schwächen liegen eindeutig in ihren veralteten Strukturen, die sie zu schwerfällig macht, um schnell reagieren zu können. Die Verschiedenheit der Mitgliedstaaten und der fehlende Gemeinschaftsgeist verkomplizieren die Einigung auf gemeinsame Lösungen und verlangsamen die Reaktionsgeschwindigkeit.

 

Auch ist die Kompetenzaufteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten nicht mehr zeitgemäß. Die Krisen der letzten Jahre im Bereich von beispielsweise Außenpolitik, Migration, Verteidigung, Sicherheit, Energie beziehen sich fast allesamt auf Bereiche, in denen die Mitgliedstaaten die alleinige Kompetenz haben. Das sind jedoch die Herausforderungen der Zukunft, die mehrheitlich entschieden werden sollten.

 

 

LL: Wie sieht eigentlich Ihre alltägliche Arbeit aus? Oder gibt es so etwas bei Ihnen gar nicht?

 

Voss: Wirklich alltäglich ist meine Arbeit nicht. Jeder Tag unterscheidet sich vom Vorherigen. Dennoch haben wir auch im Parlament gewisse Abläufe und Strukturen. Die Arbeit wird durch sehr viele Sitzungen in sich immer wieder verändernden Zusammensetzungen charakterisiert. Wir unterscheiden dabei zwischen Ausschusssitzungen, Fraktionssitzungen, Plenarsitzungen, Arbeitsgruppensitzungen und Delegationssitzungen.

 

Inhaltlich beschäftigen wir uns mit der allgemeinen politischen Situation, mit dem aktuellen politischen Tagesgeschäft und natürlich – und das ist unsere Hauptbeschäftigung – mit der Gesetzgebungsarbeit, die in der Abstimmung sehr viel Kommunikation benötigt.

 

 

LL: Was meinen Sie, warum verfolgen oftmals so wenige Bürger:innen das tägliche politische Geschehen auf europäischer Ebene? Was müsste Ihrer Meinung nach, getan werden, um die EU-Politik nahbarer zu machen?

 

Voss: Auf der europäischen Ebene passiert so viel, dass es schwierig ist, einen guten Überblick behalten zu können. Diejenigen, die sich für einzelne Themen interessieren, werden das Geschehen auch auf europäischer Ebene gut verfolgen können. Diejenigen, die sich nicht für einzelne Themen interessieren, können sich jedoch schnell überfordert fühlen mit der Fülle der täglichen Informationen. Letztlich berichten auch die Medien größtenteils „nur“ über nationale Politik.

 

Ich halte es für ein großes Phänomen, dass die europäischen Institutionen womöglich die transparentesten Einrichtungen sind, die Bürgerinnen und Bürger dennoch nur sehr wenig von der europäischen Ebene mitbekommen.

 

Im Grunde handelt es sich hier um die 1-Million-Euro-Frage, wie die europäische Politik nahbarer gemacht werden kann. Sowohl die Institutionen als auch die Politikerinnen und Politiker versuchen bereits über sämtliche Wege ihre Arbeit zu erläutern und den Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen. Die Medien wiederum werden das nur zu einem bestimmten Umfang machen können. Letztlich wird es wohl immer darauf hinauslaufen, dass der oder die Einzelne Interesse an der Europapolitik haben muss, um die Entwicklungen besser verfolgen zu können.

 

„Ich halte es für ein großes Phänomen, dass die europäischen Institutionen womöglich die transparentesten Einrichtungen sind, die Bürgerinnen und Bürger dennoch nur sehr wenig von der europäischen Ebene mitbekommen.“

 

 

LL: Bei Ihrer Arbeit setzen Sie sich insbesondere für ein digital souveränes Europa ein. Können Sie unseren Leser:innen kurz erklären, was Sie damit meinen und warum das für die EU auch aus rechtlicher Sicht so wichtig ist?

 

Voss: Die Digitalisierung durchdringt sämtliche Lebensbereiche der Bürgerinnen und Bürger. Die Entwicklungen in diesen Bereichen sind mittlerweile extrem schnell und gehen tief in die Analyse der Daten, sodass die Gefahr besteht, unsere Privatsphäre zu verlieren.

 

Zusätzlich sehen wir, dass die Entwicklungen außerhalb Europas an Fahrt gewinnen. Die Digitalisierung findet grenzenlos und global statt und viele der Daten, die wir hier in Europa erzeugen, werden außerhalb unserer Grenzen gespeichert, wo keine Rücksicht auf die Werte der EU gelegt wird.

 

Genau aus diesem Grund müssen wir eine eigene digitale Souveränität in Europa entwickeln, damit wir bestimmen können, was mit unseren Daten passiert und auf welcher Grundlage.

 

Für die Zukunft ist es wichtig, dass wir rechtliche Grenzen ziehen, damit wir sichergehen können, dass unserer Grundrechte bewahrt werden und wir als EU wettbewerbsfähig bleiben. Ansonsten werden wir nur noch eine Datenkolonie anderer sein, die auf den „European way of life“ keine Rücksicht nehmen.

 

 

LL: Was würden Sie als Vollblut-Europäer zum Abschluss noch Europakritiker:innen sagen?

 

Voss: Wir können nur gemeinsam in Europa mehr erreichen und uns Gehör in der Welt verschaffen. Wir dürfen die Europäische Union nicht als selbstverständlich ansehen, sondern sollten alle Fans der europäischen Idee bleiben und uns aktiv für sie einsetzen. Ohne ein gemeinsames und geeintes Europa werden wir unbedeutend.

 

Deshalb kann ich in voller Überzeugung sagen: die Europäische Union ist unsere einzige Option auf Zukunft!

 

 

LL: Dem können wir uns nur anschließen. Vielen lieben Dank für Ihre Zeit und das interessante Interview, Herr Voss!

 

 

 

 Axel Voss
Seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments für die Region Mittelrhein – Sprecher der EVP im Rechtsausschuss (JURI)

Die juristische Zeitschrift für Nichtjuristen

Aktuelle Themen, Komplexe Materien.

Einfach und verständlich erklärt.

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