Über das Posten und die Gefahren von Kinderfotos auf Social Media-Plattformen
Kinder wachsen heutzutage in einer Welt auf, in der es vollkommen normal ist, über Social Media-Accounts Einblicke in sein Leben zu geben. Und oft sind sie ein großer Teil dieser persönlichen Momente, die ihre Eltern gerne mal mit mehreren tausend Menschen teilen. Es gibt mittlerweile sogar einen eigenen Begriff dafür, wenn Eltern Fotos oder Geschichten ihrer Kinder online posten: Sharenting. Zusammengesetzt aus „share“ (teilen) und „parenting“ (Kindererziehung).
Kinder sind ein beliebtes Motiv, weil sie niedlich und lustig sind und viele Eltern ihren Stolz in die Welt tragen wollen. Oft werden die süßen Fotos aber auch mit Informationen gespickt, die aus meiner Sicht niemanden etwas angehen. So wird die ganze Welt über Durchfallprobleme der Kinder oder andere höchstpersönliche Details informiert.
Welche Grenzen hier oft überschritten werden und welche Gefahren dies birgt, ist vielen Eltern nicht bewusst oder wird schlichtweg ignoriert. Ebenso wenig die rechtlichen Aspekte, die man bedenken sollte.
Die rechtliche Seite
Sowohl das Kunsturhebergesetz (KUG), die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) als auch das im Grundgesetz (GG) verankerte Allgemeine Persönlichkeitsrecht spielen bei der Verbreitung von Kinderfotos eine große Rolle. Denn hat das einsichtsfähige Kind nicht zugestimmt, kann das Veröffentlichen sowohl gegen § 22 KUG, Art. 6 Abs. 1 DSGVO als auch gegen Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verstoßen.
Aber: Wo kein Kläger, da kein Richter. Wenn das Kind sich also nicht wehrt, haben die Eltern nichts zu befürchten. Zumindest aus juristischer Sicht.
Hat das Kind noch nicht die für die Einwilligung nötige Einsichtsfähigkeit erreicht, die meist ab 14 Jahren angenommen wird, können die Sorgeberechtigten diese Einwilligung geben und damit fröhlich drauf los posten. Hierbei müssen sie sich allerdings einig sein.
Und damit komme ich zu einem Fall, der in meiner anwaltlichen Praxis immer häufiger auftaucht und ein großes Streitpotential birgt: Auch bei getrenntlebenden Eltern, die aber beide die gemeinsame Sorge innehaben, muss Einigkeit hinsichtlich der Veröffentlichung von Kinderbildern bestehen. Es ist also Vorsicht geboten. Wenn man keinen Sorgerechtsstreit vom Zaun brechen will, sollte man vor dem Posten von Kinderbildern die Einwilligung des anderen Elternteils einholen. Erhält man diese nicht, wäre es ratsam, auf das Posten zu verzichten.
Ebenfalls zu beachten sind die Grenzen der Kindeswohlgefährdung. Eine solche liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein Kind in pornografischer Pose gezeigt wird. Ein Extremfall natürlich. Viel häufiger anzutreffen und vermeintlich weniger extrem sind die Fälle, in denen zum Beispiel Nacktbilder und/oder intime Details aus dem Kleinkindalter später in Kindergarten und Schule zum Mobbing oder zur sexuellen Belästigung der Kinder führen. Oft geschieht sowas erst Jahre nach dem Posting. Aber genau dort liegt die weitere Gefahr: Das Internet vergisst NICHTS!
„Auch bei getrenntlebenden Eltern, die aber beide die gemeinsame Sorge innehaben, muss Einigkeit hinsichtlich der Veröffentlichung von Kinderbildern bestehen.“
Wenn ein Gericht also eine Kindeswohlgefahr feststellt, kann dies weitreichende Folgen für die Eltern haben. Im schlimmsten Fall droht der Sorgerechtsentzug verbunden mit der Fremdunterbringung des Kindes. Spätestens dann sollte man sich fragen, ob der Post auf Instagram es wirklich wert gewesen ist.
Aber auch hier ist klar: Ohne Richter kein Henker. Viel gegenwärtiger sind daher die Gefahren, die sonst durch die Zurschaustellung von Kindern lauern.
Das Darknet
Es ist nur schwer zu ertragen, aber eine ernstzunehmende und realistische Gefahr. Öffentlich gepostete Kinderfotos sind vor allem für Pädophilenringe ein gefundenes Fressen. Tausende von Social Media-Accounts werden täglich mit Hilfe der entsprechenden Technik auf Kinderfotos durchforstet. Die Fotos werden kopiert und dann im entsprechenden Darknet zum Download zur Verfügung gestellt. Und damit sind die Bilder des eigenen Kindes für immer an einem Ort verstreut, wo man sie nie haben wollte.
Hierbei kommt es auch nicht darauf an, ob das Kind angezogen, nackt, von vorne oder von hinten zu sehen ist. Oft reicht auch nur eine Hand oder ein Bein auf dem Foto. So widerlich es klingt, aber es gibt für alles eine Neigung. Und auch die beliebten Emojis, die gerne kurz vor dem Posten über das Gesicht des Kindes gelegt werden, helfen nicht. Diese lassen sich nämlich ohne Probleme entfernen.
Mobbing
Was Eltern auch nicht unterschätzen sollten, ist die Gefahr des Mobbings. Das Nacktbild vom Strand kann in Kindertagen noch niedlich sein. Später in der Schule kann es aber dazu führen, dass Kinder dafür gehänselt und ausgelacht werden. Ebenso für intime Details. Wer möchte in 15 Jahren schon gerne auf dem Account der Eltern etwas über die eigenen Verdauungsprobleme lesen, die man als Kleinkind vielleicht einmal gehabt hat?!
„Öffentlich gepostete Kinderfotos sind vor allem für Pädophilenringe ein gefundenes Fressen. Tausende von Social Media-Accounts werden täglich mit Hilfe der entsprechenden Technik auf Kinderfotos durchforstet.“
Praktische Tipps
Wer nicht auf das Posten von Kinderbildern verzichten möchte, dem kann ich folgende Tipps an die Hand geben:
- Macht euch bewusst, dass jedes Foto, das öffentlich im Internet landet, dort nie mehr herauskommt. Auch wenn ihr es gelöscht habt.
- Fragt euer Kind um Erlaubnis, sobald ihr es für einsichtsfähig haltet. Dies ist oft viel früher als mit 14 Jahren der Fall.
- Postet keine Bilder, die euer Kind in peinlichen oder bedenklichen Posen zeigt und verzichtet auf intime Details.
- Bearbeitet die Bilder bereits vor dem Posten mit Emojis und ladet sie erst dann hoch. Dann kann man diese nämlich nicht mehr entfernen.
- Vermeidet es, den Namen und Wohnort eures Kindes zu nennen.
- Postet keine Inhalte, die ihr nicht auch über euch selbst im Internet lesen oder sehen wollen würdet!!!
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Präsenz auf Social Media-Accounts ist allgegenwärtig und gehört zum Alltag dazu. Kinder sollten daher bereits früh den verantwortungsvollen Umgang damit lernen, aber auch dringend vor den Gefahren geschützt werden. Insofern ist es an uns Eltern, es richtig vorzuleben und für diesen Schutz zu sorgen!
CAROLIN HENGST
Ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Kind&Recht in Hamburg.
In ihrer alltäglichen Arbeit beschäftigt sie sich mit allen juristischen Themen rund um das Kind.
Von Umgangsrecht über Sorgerecht bis hin zu Fällen, in denen Kinder aus ihren Familien genommen wurden.
Sie selbst ist Mutter einer kleinen Tochter.