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Hate Speech im Internet

 

Was verbirgt sich dahinter und wie geht man damit um?

 

Bewegt man sich im digitalen Raum, wird man ihr früher oder später über den Weg laufen. Besonders gerne hält sie sich in Kommentarspalten von Social Media Plattformen auf oder lauert z.B. in einem „Alternativen Medium“ dessen Herausgeber es mit den journalistisch-ethischen Grundregeln des Pressekodex vielleicht nicht so genau nimmt.
Die Rede ist von „Hate Speech“. Dahinter verbergen sich Hass und Hetze im Internet, die in den verschiedensten Formen (etwa als Kommentar, Beitrag, dem Teilen von Videos, Bildern etc.) auftauchen und sich gegen Gruppen von Menschen oder Einzelne richten kann.

Im Folgenden werden die rechtlichen Aspekte des Phänomens beleuchtet und praktische Tipps gegeben, wie man sich selbst als betroffene Person oder Zeuge verhalten sollte.

 

Welche Straftaten können durch „Hass und Hetze“ konkret begangen werden?

Unter Umständen können bestimmte strafrechtliche Tatbestände wie die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB), Üble Nachrede (§ 186 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB) oder Bedrohung (§ 241 StGB) erfüllt sein, die entsprechend bei der Polizei zur Anzeige gebracht und in einem strafrechtlichen Verfahren geahndet werden können. Unser Strafgesetzbuch (StGB) hält zwar solche Strafgesetze bereit, es ist jedoch in weiten Teilen auf das „analoge“ Leben im letzten Jahrtausend ausgerichtet – immerhin ist es bereits zum 1. Januar 1872 in Kraft getreten – und weist hier und da Schwächen in Bezug auf die Anwendbarkeit im digitalen Raum auf.

 

Welche Herausforderungen gibt es für die Strafverfolgung?

Der Tatort Internet stellt Betroffene und Strafverfolgung gleichermaßen vor besondere Herausforderungen. Zum einen ist der Cyberspace bekanntermaßen sehr schnelllebig, sodass sich beispielsweise ein diffamierender Post in wenigen Augenblicken zigfach weiterleiten lässt und so einem exponentiell anwachsendem Empfängerkreis offenbart wird, wenn er durch einen kurzen Mausklick „geteilt“ wird. Daraus resultiert oft ein weiteres Problem: ein Inhalt, der sich einmal im Netz verbreitet hat, kann unter Umständen nur schwer wieder gelöscht werden und in der Folgezeit immer wieder auf anderen Plattformen auftauchen, da es nahezu unmöglich ist, zu identifizieren, wo überall die Inhalte hingelangen. Bisweilen sind auch Plattformbetreiber selbst entweder nicht zu ermitteln und haben beispielsweise nur Scheinadresse angegeben, oder bleiben inaktiv und entfernen die konkreten Beiträge nicht, sodass diese weiterhin in der Welt bleiben.

 

Ebenso kann, in vermutlich selteneren Fällen, ein einzelner Post aber auch einmal sehr schnell wieder verschwunden sein, wenn der Urheber selbst oder der Plattformbetreiber den Beitrag zügig löscht. Damit geht zwangsläufig das Problem einher, dass ein wichtiger Beweis für eine mögliche strafrechtliche Ermittlung verschwindet.

 

Es ist zudem für viele Täter sehr leicht, sich in der Anonymität zu verstecken, denn eine generelle Pflicht zur Nutzung des Klarnamens (also wie man laut eigener Ausweisdokumente heißt) gibt es nicht. Deshalb kann man online als „Dagobert Duck“ den lieben langen Tag Leute beleidigen, ohne dass erkennbar ist, wer wirklich hinter den entsprechenden Aussagen steckt. Ein Täter, der so vorgeht, hat dabei sicher auch im Sinn, dass die Tat ihm nicht zugeordnet werden und er sich damit auch einer möglichen Strafe entziehen kann. Außerdem kann man als User den eigenen Accountnamen je nach den Bedingungen des Plattformanbieters meist unkompliziert und schnell ändern. Ein „Dagobert Duck“, der einen Amoklauf in einer Schule androht, könnte im nächsten Augenblick „Baron von Münchhausen“ heißen und würde unter dem vorherigen Accountnamen nicht mehr aufgefunden werden.

 

Ein weiteres Problem bei der Verfolgung von Tätern im digitalen Raum besteht darin, dass die IP-Adressen nur für eine sehr kurze Dauer von den Netzwerkanbietern gesichert werden, da es in Deutschland keine Vorratsdatenspeicherung gibt, wie es in einigen anderen Ländern der Fall ist. Bei der IP-Vorratsdatenspeicherung wird gespeichert, welche IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen Internetanschluss verwendet wird, worüber sich zumindest der Inhaber des Internetanschlusses identifizieren ließe.

 

„Es ist für viele Täter sehr leicht, sich in der Anonymität zu verstecken, denn eine generelle Pflicht zur Nutzung des Klarnamens (also wie man laut eigener Ausweisdokumente heißt) gibt es nicht.“

 

Welche Mittel werden Hate Speech entgegengesetzt?

Da es sich bei den geschilderten Problemen um solche handelt, die mit fortschreitender Digitalisierung immer häufiger in Erscheinung treten (im Jahr 2020 wurden z.B. in Bayern insgesamt 1.648 strafrechtliche Verfahren wegen Hate-Speech geführt[1]), ist es nötig, die bestehenden Gesetze den veränderten Gegebenheiten und Herausforderungen anzupassen.

 

Zuletzt ist dies mit einem Gesetzespaket gegen Hass und Hetze geschehen, welches am 3. April 2021 in Kraft getreten ist. Im Zuge dieses Gesetzespakets wurden u.a. einige Gesetzesänderungen vorgenommen, die das Spektrum von Hate Speech betreffen. Die dabei wohl bedeutendsten Anpassungen haben die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten nach § 126 StGB und die Bedrohung nach § 241 StGB erfahren.

 

Beispielsweise kann man sich nun wegen der Androhung einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (z.B. schwere Formen der Vergewaltigung) oder einer gefährlichen Körperverletzung[2]) (das ist eine Körperverletzung, die z.B. mittels einer Waffe begangen wird) strafbar machen. Dabei muss der Täter die Absicht haben, dass eine allgemeine Beunruhigung bei der Bevölkerung oder bei einer nicht unerheblichen Personenanzahl (z.B. der User eine Social Media Plattform) eintritt. Das könnte z.B. bei einem Kommentar zu einem Post von einer Tageszeitung oder einem Radio-, Fernsehsender, der sämtlichen Nutzern einer Plattform zugänglich ist, angenommen werden. Bisher kam eine Strafbarkeit für derartige Aussagen nur bzgl. schwerwiegenderer Delikte, wie bei der Androhung von Mord oder der eines Amoklaufs in Betracht.

 

„Beispielsweise kann man sich nun wegen der Androhung einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder einer gefährlichen Körperverletzung strafbar machen. (…) Bisher kam eine Strafbarkeit für derartige Aussagen nur bzgl. schwerwiegenderer Delikte, wie bei der Androhung von Mord oder eines Amoklaufs in Betracht.“

 

In eine ähnliche Richtung geht die Strafbarkeit wegen Bedrohung (§ 241 StGB). Im Unterschied zu einer Androhung, die die Störung des öffentlichen Friedens zur Folge hat, macht sich einer Bedrohung bereits schuldig, wer einer einzelnen Person eine Straftat gegen sie oder eine ihr nahestehende Person in Aussicht stellt. Bislang musste die in Aussicht gestellte Tat ein Verbrechen sein (z.B. die Tötung der bedrohten Person). Diese Voraussetzung wurde nun gesenkt, sodass nun auch die Bedrohung mit bestimmten Vergehen (weniger schwerwiegende Straftaten[3]) strafbar sein kann. In den Gesetzestext aufgenommen wurden konkret „rechtswidrige Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert“.

 

Für einige Delikte wurde im Zuge der Gesetzesänderungen die Strafandrohung erhöht, sodass nun beispielsweise bei Beleidigungen im Internet bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe drohen. Bei Drohungen mit Mord oder Vergewaltigung wurde die angedrohte Strafe sogar verdreifacht. Hier drohen nun bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.

 

Es bleibt abzuwarten, ob diese Gesetzesänderungen und die damit angedrohten Strafen eine abschreckende Wirkung gegenüber potentiellen Tätern haben und die Zahl der Delikte im Zusammenhang mit Hate Speech im Zuge dessen abnehmen werden.

 

Mit der Verkündung des Gesetzespakets Anfang April wurden auch weitere Neuerungen veröffentlicht, die die Arbeit der Ermittlungsbehörden im geschilderten Bereich vereinfachen und dementsprechend zu einer höheren Aufklärungsrate von Hassdelikten im Internet führen soll.

 

Ab Februar 2022 sind die Betreiber sozialer Netzwerke nicht mehr nur dazu verpflichtet, bestimmte Beiträge zu löschen. Sie müssen zusätzlich dazu bestimmte Straftaten direkt an das Bundeskriminalamt melden. Dazu zählen unter anderem:

 

  • § 86, 86a StGB:
    Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (z.B. Hakenkreuz, Symbole verbotener Parteien)
  • § 129 bis 129b StGB:
    Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen
  • § 130, 131 StGB:
    Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen
  • 241 StGB:
    Bedrohungen mit Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit
  • 184b StGB:
    Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen

 

Wie sollte ich mich verhalten, wenn ich von Hass im Internet selbst betroffen bin oder Zeuge davon werde?

Zunächst einmal ist festzustellen, dass Hassrede nicht toleriert oder ignoriert werden sollte. Damit ist wie im „echten“ Leben außerhalb des Internets Zivilcourage gefragt. Das Bayerische Landeskriminalamt rät zu folgenden Tipps im Umgang mit Hate Speech[4]:

 

Soweit möglich, sollte also eine Gegenreaktion erfolgen, die Tätern und anderen Nutzern sozialer Netzwerke zeigt, dass ein bestimmtes, unter Umständen gar strafbares Verhalten nicht hingenommen werden kann. Eine Gegenreaktion könnte z.B. in Form von sog. „Counter Speech“ erfolgen. Dabei kann man falsche Behauptungen mit Fakten und Quellen widerlegen bzw. Täter zur Rede stellen und sich von entsprechenden Aussagen ausdrücklich distanzieren. Distanzieren ist auch dann wichtig, wenn solche Taten beispielsweise in Chatgruppen vorgenommen werden, in denen man selbst Teilnehmer ist. Man sollte dabei auf keinen Fall selbst beleidigen und sich so strafbar machen und weiteren Hass und Hetze provozieren und fördern.

 

„Ab Februar 2022 sind die Betreiber sozialer Netzwerke nicht mehr nur dazu verpflichtet, bestimmte Beiträge zu löschen. Sie müssen zusätzlich dazu bestimmte Straftaten direkt an das Bundeskriminalamt melden.“

 

Auf jeden Fall sollte man entsprechende Vorkommnisse dem Netzwerk bzw. Plattformbetreiber (zusätzlich möglich unter: www.internetbeschwerdestelle.de) melden und entsprechende Posts, wenn möglich löschen. Außerdem sollte man von Hate Speech Betroffene über Netzinhalte informieren, damit sie entsprechende Maßnahmen vornehmen können (z.B. Anzeige erstatten oder Schadensersatz fordern). Eine zusätzliche Möglichkeit, um weitere Hassdelikte zu verhindern, kann auch das Melden bzw. Blockieren bestimmter Personen bzw. deren Accounts sein.

 

Um eine strafrechtliche Verfolgung zu unterstützen ist es wichtig, Beweise zu sichern. Hierfür sind insbesondere wichtig: Internetadresse (URL) des Inhaltes und vom Profil des Hassposting-Erstellers, ein Screenshot vom betreffenden Inhalt (einschließlich zugehörigem Post sowie Kommentarverlauf) und vom Profil des Hassposting-Erstellers.

[1] Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministerium für Justiz vom 5. Februar 2021.

[2] Das ist eine Körperverletzung, die z.B. mittels einer Waffe begangen wird.

[3] Den Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen kannst du nachlesen in Ausgabe 1/2020, S. 20 ff.

[4] https://www.polizei.bayern.de/content/3/0/9/0/4/6/faltblatt_hasspostings.pdf.

 

 

KATHARINA ERNSTBERGER

arbeitet als Justiziarin an einer Hochschule.

 

Sie findet es besonders wichtig, andere für die Juristerei zu begeistern und ihnen die Prinzipien des Rechtsstaates nahezubringen.

 

Außerdem hat sie ein Faible für das Strafrecht, arbeitet im Alltag aber lieber in weniger dramatischen Gefilden.

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