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Wenn Juristen doch nur wüssten,

…DASS BÜROKRATISCHE HÜRDEN KÄSE SIND

 

 

MANUEL GEIß

 

ist Geschäftsführer des Familienunternehmens Fromagerie Geiß GmbH

 

Als ich 2015 nach meinem Dolmetscherstudium beschloss, eine – fachlich gesehen – 180 Grad Wende hinzulegen und das Familienunternehmen meiner Eltern zu übernehmen, ahnte ich noch lange nicht, was auf mich zukommen sollte. Anstatt Börsentexte zu übersetzen, beschäftigte ich mich fortan mit Käse und anderen Feinkostprodukten – deren französische Namen ich zumindest aussprechen konnte. Mit dem Unternehmen, welches mein Vater vor über einem halben Jahrhundert gründete, war ich natürlich bestens vertraut. Schon von klein auf lernte ich die Herstellerbetriebe in den Schweizer Alpen kennen, wo die Kühe noch Namen haben und frei auf der Wiese grasen. Eine ehrliche Welt. Im Jahr 2016 eröffnete ich dann meinen ersten Laden in der Aschaffenburger Innenstadt und geriet zum ersten Mal in einen nicht enden wollenden Paragrafenritt.

 

Die erste Herausforderung: Alkoholausschanklizenz. Drei Monate vor Ladeneröffnung plante ich, eine Gaststättenkonzession zu beantragen. Sicher ist es sinnvoll, dass man das Alter der Gäste überprüft, Hygieneregeln einhält und darauf achtet, dass die Kühlkette intakt bleibt, aber haben Sie schon einmal auf der Gemeinde versucht, die richtige Belegart für den Auszug aus dem Gewerbezentralregister zur Konzessionserstellung zu bekommen? Sollte eigentlich kein Problem darstellen, wenn auch auf dem Amt klar wäre, was die richtige Belegart ist und wie man diese beantragt. Letztlich wurden aus dem einen Gang drei Gänge und ungültige Belegarten für die Kuriositätensammlung. Knapp ein Vierteljahr nach Ladeneröffnung und die ein oder anderen verbrauchten Nerven später hielt ich dann auch endlich meine Konzession in den Händen.

 

 

Man antwortete mir, dass das kein Problem sei, ich müsste nur den Antrag ausfüllen. Guten Mutes begann ich also das Formular auszufüllen. (…) Auf meine Frage, wie lange die Bearbeitung dauern würde, antwortete er mir circa vier bis sechs Wochen.

 

 

Soweit so gut, doch die nächsten juristisch-bürokratischen Hürden lauern in nicht allzu weiter Ferne. In meinem kleinen Ladenbistro schätzen meine Gäste die liebevoll zubereiteten Speisen und Kaffeespezialitäten. So gibt es nichts Schöneres als die ersten Sonnenstrahlen im Frühling zu genießen und einen Cappuccino auf der Terrasse zu trinken. Da kommt es gelegen, dass der letzte Tag und Haupteinkaufstag im Februar laut Wetter-App schon sommerliche Temperaturen aufweisen soll. Was also machen, wenn die von der Stadt gemietete Außenfläche erst ab dem Tag danach zur Verfügung steht? Als pflichtbewusster Unternehmer ging ich natürlich zum Straßen-Verkehrsamt und bat um die Ausnahme, meine Bestuhlung einen Tag vorher den Gästen zur Verfügung zu stellen. Man antwortete mir, dass das kein Problem sei, ich müsste nur den Antrag ausfüllen.

 

Guten Mutes begann ich also das Formular auszufüllen. Als ich fertig war, wies mich der Herr vom Amt darauf hin, dass der Antrag jetzt bearbeitet werden würde. Auf meine Frage, wie lange die Bearbeitung dauern würde, antwortete er mir circa vier bis sechs Wochen. Ich durfte also meine Bestuhlung nicht früher rausstellen, obwohl es sich lediglich um einen einzigen vorgezogenen Tag handelte, da dem Antrag des Amtswesens wegen erst im April hätte stattgegeben werden können. Ein hessisches Sprichwort, das den Nagel hier auf den Kopf trifft, besagt: „Wer lang fragt, geht lang irr.“

 

 

 

 

Als Jungunternehmer muss man immer findig sein, denn die Innenstädte veröden zunehmend zu Zeiten des Onlinehandels und des allgegenwärtigen Konsumangebots an manchen Tagen. So kam mir die Idee in der Vorweihnachtszeit einen kleinen Mistelstand vor meinem Ladengeschäft aufzubauen. Grüne Mistelzweige für die Adventszeit. Die Erlaubnis vom Amt war schnell eingeholt und die ersten Fotos für die Social-Media-Kanäle gemacht. Kurze Zeit darauf ein Anruf vom Amt, ich dürfe keine Person hinter dem Stand platzieren, dies sei sonst direkte Konkurrenz zu dem nicht vorhandenen Mistelstand auf dem Weihnachtsmarkt. Der Stand dürfe quasi unbeaufsichtigt bestehen, aber nicht mit Personal geführt werden. Wir haben den Stand kurzerhand wieder abgebaut.

 

Im Laufe meiner sechsjährigen Geschäftstätigkeit haben sich schon viele juristische Herausforderungen ergeben. Wie in vielen anderen Branchen auch, ja ich würde sogar sagen den allermeisten, ist man als Selbstständige:r nicht nur Expert:in seines Faches, sondern muss unter anderem Expert:in werden für Hygieneverordnung beim Ladenbau, DSGVO, AGB, Widerrufsbelehrung, Cookie-Richtlinien, Bauverordnung, Brandschutz, Lärmschutz, Arbeitsschutz, Corona-Auflagen uvm. Am Ende wäre es schön, die eigene Energie wieder in Schöpfung und Kreativität zu investieren, als allzu oft in die Auslegung und Durchsetzung behördlicher Auflagen und Anträge.

 

 

Am Ende wäre es schön, die eigene Energie wieder in Schöpfung und Kreativität zu investieren, als allzu oft in die Auslegung und Durchsetzung behördlicher Auflagen und Anträge.

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