Keine Papierberge mehr, Vertragsschlüsse über Kontinente hinweg mit vielen Beteiligten – und das ohne Verzögerung, keine Notwendigkeit für Drucker, Briefmarken, Scanner – eSignatures (also elektronische Unterschriften) versprechen auf den ersten Blick, eine gute Alternative zu händischen Unterschriften zu sein. Aber funktioniert das wirklich so einfach?
- Was sind eSignatures und was sind sie nicht?
Vorab will ich mit einem ganz großen Missverständnis aufräumen: Wenn ein PDF-Programm Deinen Namen in Schreibschrift auf ein Dokument (eine Kündigung oder einen Vertrag) zaubert, ist damit noch überhaupt nichts darüber gesagt, ob das auch rechtssicher ist. Bei der Kündigung deines Fitnessstudio-Vertrags mag das ausreichen, aber in vielen anderen Situationen es ist ein bisschen komplizierter.
„Wenn Du z.B. keine Brötchen kaufst, sondern eine große Industriemaschine […], möchtest Du vielleicht etwas „Handfestes“ haben. Da Papierverträge aber umständlich sind, helfen eSignatures.“
- Wofür braucht man eSignatures?
Für viele Willenserklärungen und Verträge. Eine Willenserklärung liegt z.B. dann vor, wenn du deinen Mietvertrag oder als Arbeitgeber deinen Mitarbeiter kündigst.
Auch Verträge basieren auf Willenserklärungen, um genauer zu sein: auf zwei übereinstimmenden Willenserklärungen. Das hat Carsten Lexa schon ganz gut in der Legal Layman Ausgabe 1/2020 erklärt. Zusammengefasst hat er beschrieben, dass ein Vertrag nicht immer ein schriftlicher Vertrag sein muss. Ein Vertrag kann auch mündlich geschlossen werden. Samstagmorgen um 9 Uhr kaufe ich zehn Brötchen beim Bäcker und schließe dabei einen Kaufvertrag. Manchmal müssen oder sollten Verträge aber nicht mündlich, sondern schriftlich geschlossen bzw. Willenserklärungen schriftlich abgegeben werden. Das schreibt oft das Gesetz vor, aber manchmal ist es auch unabhängig vom Gesetz zur besseren Dokumentation sinnvoll. Wenn Du z.B. keine Brötchen kaufst, sondern eine große Industriemaschine für 10 Millionen Euro nach Kanada verkaufst, möchtest Du vielleicht etwas „Handfestes“ haben. Da Papierverträge aber umständlich sind, helfen eSignatures.
- Wie funktionieren eSignatures?
Die Wirkung und Anforderungen an elektronische Signaturen werden durch Gesetze bestimmt. Hier wird es kompliziert, denn die genauen Wirkungen und Anforderungen hängen immer davon ab, welchem Recht der Vertrag oder die Willenserklärung unterliegt. Aber gerade dort, wo Dein Unternehmen international agiert, ist es nicht immer selbstverständlich, dass deutsches Recht anwendbar ist.
Bleiben wir aber einmal bei dem „einfachsten“ Fall und schauen uns an, wie eSignatures in Deutschland funktionieren, präziser sogar innerhalb der EU, denn es gilt eine europäische Verordnung, die bestimmt, wie eSignatures funktionieren müssen. Es gibt drei Signaturarten:
- In der einfachsten Form ist schon Dein Name unter einer E-Mail eine eSignature, nämlich eine „einfache elektronische Signatur“. Dafür brauchst Du gar keinen Anbieter, nur ein Mailprogramm. Das hat aber kaum Beweiskraft und erfüllt auch keine Formerfordernisse (wenn sie denn bestehen).
- In der mittleren Stufe darf das Dokument nicht mehr abgeändert werden können, nachdem Du es signiert hast. Das ist eine „fortgeschrittene elektronische Signatur“. Dafür zahlst Du ein paar Euro bei den Anbietern (meistens im Paket).
- In der höchsten Stufe wird die Identität des Unterzeichners überprüft (bspw. durch Vorzeigen des Ausweises in die Computerkamera). Dann handelt es sich um eine „qualifizierte elektronische Signatur“. Die sind relativ teuer (pro Unterschrift 1-2 Euro, aber auch nur in großen Paketen). Sie sind dafür auch total sicher und vor Gericht nicht mehr zu kippen. Sie ersetzten auch fast immer die Schriftform.
„Es gibt drei Signaturarten […]. Welche der Signaturarten es sein soll, hängt also von zwei Fragen ab: Brauche ich eine bestimmte Signaturform? Will ich eine bestimmte Signaturform?“
- Und wofür brauche ich nun welche dieser Signaturarten?
Für den Brötchenkauf beim Bäcker wirst Du gar keine der eSignaturformen brauchen. Das kann nach wie vor mündlich passieren. Auch wenn Du Deinen Handyvertrag im Internet oder einen Fitnessstudio-Vertrag abschließt oder kündigst, brauchst Du Dir grundsätzlich wenig Gedanken darüber zu machen, dass die richtige Signaturform eingehalten wird. Hier spielen eSignatures normalerweise keine große Rolle.
Übrigens ist auch der Verkauf Deiner Maschine nach Kanada (im deutschen Recht) formfrei. Du dürftest sie also grundsätzlich auch durch einfachen mündlichen Vertrag verkaufen (was nicht sinnvoll ist, aber grundsätzlich geht es). Welche der Signaturarten es sein soll, hängt also von zwei Fragen ab:
- Brauche ich eine bestimmte Signaturform?
Manchmal gibt das Gesetz vor, dass Du eine bestimmte Form brauchst. Ein befristeter Arbeitsvertrag braucht die Schriftform, damit die Befristung wirksam ist. Die Schriftform wird nur durch die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt (Identitätsprüfung!). Das hat der Lieferdienst Gorillas übrigens einmal falsch gemacht – zack, zig Befristungen unwirksam.
- Will ich eine bestimmte Signaturform?
Beim Verkauf der Maschine nach Kanada, müsstest Du schon einmal genau schauen, ob Dein Vertrag sich nicht vielleicht doch nach kanadischem Recht richtet. Vielleicht ist danach ja die Schriftform vorgeschrieben. Aber auch wenn das nicht der Fall ist, willst Du vielleicht ein bestimmtes Sicherheitslevel, ohne Verträge durch die Welt zu schicken.
Manchmal ist eine eSignature auch gar nicht möglich. Beispielsweise müssen die Kündigungen von Arbeitsverträgen immer in echter Schriftform („wet ink“ also übersetzt „nasse Tinte“) verfasst sein. Das will das deutsche Recht so.
- Wie funktioniert das praktisch im Unternehmen?
Wenn Du gerne eSignatures nutzen möchtest, solltest Du Dir einen Überblick verschaffen, für welche Verträge und Willenserklärungen Du sie nutzen willst. Das kann schnell recht komplex werden, wenn Du als Unternehmer Waren sowohl verkaufst als auch reparierst, das im Inland oder Ausland tust und viele Kunden hast. Dann solltest Du nach Fallgruppen sortieren und prüfen (lassen), welche Signaturarten jeweils notwendig sind. Je nach Ergebnis holst Du Angebote von Anbietern ein. Am Ende solltest Du für Dich und Deine Mitarbeiter festhalten, wann welche eSignatures verwendet werden sollen.
- Und kann ich das auch privat nutzen?
Theoretisch schon. Du solltest dabei aber zweimal hinschauen, ob die elektronische Signatur für Deine Zwecke wirklich rechtssicher ist. Adobe bietet beispielsweise im PDF-Reader eine Möglichkeit an, Dokumente zu unterzeichnen. Das ist aber keine qualifizierte elektronische Signatur, die die Schriftform ersetzt. Deinen Mietvertrag könntest Du damit z.B. nicht kündigen.
- Was heißt das zusammenfassend?
Elektronische Signaturen sind eine tolle Möglichkeit, sich Papierberge zu sparen. Ob sie aber für Deine Zwecke wirklich geeignet sind, musst Du Dir im Einzelfall genau anschauen – im Unternehmen wie privat.
„Adobe bietet beispielsweise im PDF-Reader eine Möglichkeit an, Dokumente zu unterzeichnen. Das ist aber keine qualifizierte elektronische Signatur, die die Schriftform ersetzt. Deinen Mietvertrag könntest Du damit z.B. nicht kündigen.“
JOHANNES BRAND, LL.M.
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht und Handels- und Gesellschaftsrecht bei BUSE in Frankfurt.
Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Vertragsmanagement, das um zukunftsfähig zu sein, auch digital gedacht werden muss.