Asylanten, Geflüchtete, Flüchtlinge?
In den 90ern war der Begriff des „Asylanten“ gang und gäbe. Engagierte und Vereine haben dem eindeutig abwertenden Begriff des „Asylanten“ dann bewusst den Begriff des „Flüchtlings“ gegenübergestellt, um zu zeigen: Diese Menschen kommen nicht, weil in Deutschland Milch und Honig fließen, sondern suchen Schutz vor Verfolgung. Heute ist der Begriff „Asylant“ zum Glück indiskutabel. In Fachkreisen spricht man meist von „Geflüchteten“, was den Vorzug hat, dass sprachlich das Ende der Flucht schon integriert ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch beschreibt das Wort „Flüchtling“ einen Menschen, der aus Furcht vor Verfolgung sein Heimatland verlassen hat und in Deutschland nach Asyl – also Schutz – sucht.
Welche Schutzformen gibt es im Asylrecht?
Nur etwa ein Drittel der Antragsteller erfüllen die Voraussetzungen für die Asylanerkennung.[1] Hierzulande denken die meisten, Flüchtlingsschutz genießt nur, wer politisch verfolgt ist. Diese Fehlvorstellung beruht auf Art. 16a GG, der besagt: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“
Ein Flüchtling ist aber eine Person, die sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet, weil ihr dort schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, die an die Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe anknüpfen. Es gibt also weit mehr Fluchtgründe als die politische Verfolgung. So werden im Iran beispielsweise Christen verfolgt. Die Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann bei einem Mädchen aus Guinea vorliegen, der im Heimatland die Genitalverstümmelung droht. In vielen Ländern werden Homosexuelle oder Transgender misshandelt. Der Unterschied zwischen Flüchtlingen und Asylberechtigten ist dabei praktisch nicht vorhanden, denn beide Schutzformen basieren lediglich auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen.[2] Die Aufenthaltserlaubnis wird in diesem Fall für drei Jahre erteilt, anschließend kann ein unbefristeter Aufenthaltstitel beantragt werden. Eine Einbürgerung ist bereits nach 6 Jahren möglich.
„Es gibt also weit mehr Fluchtgründe als die politische Verfolgung. So werden im Iran beispielsweise Christen verfolgt. Die Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann bei einem Mädchen aus Guinea vorliegen […]. In vielen Ländern werden Homosexuelle oder Transgender misshandelt.“
Was passiert, wenn Fluchtgründe nicht vorliegen?
Kann Flüchtlingsschutz nicht gewährt werden, bleibt der subsidiäre Schutz, wenn die Person zwar nicht aus den oben genannten Gründen verfolgt wird, ihr aber in ihrer Heimat ein ernsthafter Schaden durch schwere Menschenrechtsverletzungen z.B. durch die Todesstrafe, Folter, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Subsidiär Schutzberechtigte haben einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die zunächst für ein Jahr ausgestellt wird. Wenn sich die Situation in dem Herkunftsland in dieser Zeit nicht verbessert, wird die Aufenthaltserlaubnis für weitere zwei Jahre verlängert. Ein Anspruch auf Familiennachzug der zurückgebliebenen Familienangehörigen besteht allerdings nicht.[3]
Liegen auch diese Voraussetzungen nicht vor, so prüft das Bundesamt, ob Abschiebungsverbote bestehen. Hier wird die Situation, die der Antragsteller und seine Familie bei einer Rückkehr erwarten, individuell betrachtet. So hindert eine HIV-Erkrankung die Abschiebung grundsätzlich nicht, wenn Therapiemöglichkeiten hierfür im Heimatland gegeben sind. Ist diese aber aufgrund fehlender finanzieller Mittel der Mehrzahl der Bevölkerung nicht zugänglich, kann ein Abschiebungsverbot bestehen. Auch hier wird eine Aufenthaltserlaubnis lediglich für ein Jahr erteilt.
Findet keine inhaltliche Prüfung der Fluchtgründe statt, spricht man vom „Dublin-Verfahren“. Hier geht es allein darum, welcher europäische Staat für die Durchführung eines Asylverfahrens überhaupt zuständig ist. Kommt das Bundesamt zu der Ansicht, dass beispielsweise Italien das Asylverfahren durchführen muss, weil sich der Antragsteller dort zuerst aufgehalten hat, muss er nach Italien zurück. Ein Asylsuchender darf sich also nicht aussuchen, in welchem Land sein Asylantrag bearbeitet wird.
„Der Unterschied zwischen Flüchtlingen und Asylberechtigten ist dabei praktisch nicht vorhanden, denn beide Schutzformen basieren lediglich auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen.“
Woran kann eine Abschiebung scheitern?
Ist der Asylantrag abgelehnt und der Antragsteller reist nicht innerhalb einer bestimmten Frist freiwillig aus, wird die Abschiebung angeordnet. Sie ist als zwangsweise Verbringung einer Person in ihr Herkunftsland zu verstehen. Manchmal wird die Abschiebung in letzter Minute gestoppt. Einst wurde ein junger Mann aus dem Krankenhaus zur Abschiebung abgeholt, während seine Frau dort in den Wehen lag, um das gemeinsame Kind zur Welt zu bringen. Erst am Flughafen wurde die Abschiebung abgebrochen.
Damit man sich der Abschiebung nicht einfach entzieht, kann auch die Abschiebungshaft angeordnet werden. Sie ist in der Regel auf 6 Monate zu begrenzen, kann in Ausnahmefällen aber bis zu 18 Monaten andauern. Meist wird der Betroffene dann zusammen mit der Polizei bei seiner Botschaft vorstellig und muss dann einen Pass oder Passersatzpapiere beantragen, denn meistens scheitert die Abschiebung an fehlenden Reisedokumenten.
Und was ist mit Straftätern?
Bei Straftätern wird heiß diskutiert. Die Bundesrepublik hat ein berechtigtes Interesse daran, dass der Verurteilte zumindest einen Teil seiner Strafe in Deutschland verbüßt. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft kann er ab der Hälfte seiner Freiheitsstrafe aus der Haft heraus direkt in das Heimatland abgeschoben werden.
Die Ausländerbehörde muss in diesen Fällen meist erst eine Ausweisungsentscheidung treffen, weil noch keine vorliegt. Dabei sind dann z.B. auch familiäre Beziehungen im Inland oder die bisherige Aufenthaltsdauer zu berücksichtigen. Häufig haben die Regierungen der Herkunftsländer allerdings wenig Interesse daran ihre (straffälligen) Staatsbürger wieder aufzunehmen und erschweren die Ausstellung von Pässen, die für die Abschiebung notwendig wären. Grund: Der Geldtransfer von Migranten ins Heimatland ist eine wichtige Einnahmequelle für viele Herkunftsländer.
„Zwar scheitern die meisten Asylanträge, gleichwohl ist eine Abschiebung nicht immer ohne weiteres möglich, denn Deutschland braucht für Rückführungen eine funktionierende Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern von Migranten, an der es oft mangelt.“
Fazit
Wichtig ist zu verstehen, dass Flüchtlinge weit mehr sind als politische Verfolgte. Es besteht ein Stufensystem im Asylrecht, wobei sich die Rechtsstellung des Flüchtlings und des Asylberechtigten decken und der Unterschied allein auf dem Fluchtgrund beruht. Die Folgen der unterschiedlichen Stufen des Asylrechts unterscheiden sich vor allem in der Gültigkeitsdauer der erteilten Aufenthaltserlaubnis, was für die Betroffenen zu großer Unsicherheit führt.
Zwar scheitern die meisten Asylanträge, gleichwohl ist eine Abschiebung nicht immer ohne weiteres möglich, denn Deutschland braucht für Rückführungen eine funktionierende Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern von Migranten, an der es oft mangelt.
[1] Bis Ende November 2021 wurden in Deutschland 172.370 Asylanträge gestellt (vgl. 2015 waren es 722.370).
[2] Die Definition der Flüchtlingseigenschaft beruht auf der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Asylberechtigung ist im Grundgesetz verankert. Der Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention umfasst auch den Schutz vor der Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure. Das verfassungsrechtlich geschützte Asylrecht schützt dagegen nur vor Gefahren, die vom Heimatstaat ausgehen.
[3] § 36a Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Stattdessen können monatlich nur bis zu 1.000 Familienangehörige von subsidiär schutzberechtigten Personen nach Deutschland einreisen.
ORIANE LAFARGUE, LL.M.
ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Migrationsrecht.
Seit 2016 ist sie ausschließlich auf das Migrationsrecht und Ausländerstrafrecht spezialisiert.
Wichtig ist ihr, das komplexe Thema Ausländerrecht und Flüchtlingsrecht greifbarer und verständlicher zu machen. Sie unterstützt auch verschiedene studentische Refugee Law Clinics.