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Ärztliche Aufklärung und Einwilligung

 

Wie muss mich ein Arzt aufklären – und warum muss er das?

 

Nicht erst seit den Corona-Impfungen kommen Millionen Menschen mit einer ärztlichen Aufklärung in Berührung, sondern vor jeder einzelnen medizinischen Maßnahme – egal, ob Impfung, Blutentnahme, Operation, Krebstherapie oder Behandlung einer Schnittverletzung – muss der Arzt den Patienten aufklären.
Welche Risiken können dabei auftreten? Ist der Eingriff überhaupt notwendig? Gibt es Alternativen? Ist der Aufklärungsbogen, den man ggf. erhalten hat, schon ausreichend? Genügt es, wenn eine Arzthelferin aufklärt? Was ist, wenn man gar nicht versteht, was der Arzt da eigentlich erzählt? Und was ist, wenn man gar nicht ansprechbar ist?

All das sind Fragen, die mit der ärztlichen Aufklärung zusammenhängen. Wie diese aussehen sollte und warum sie sowohl für den Arzt als auch für den Patienten so wichtig ist, wollen wir in diesem Beitrag etwas näher erklären.

 

Warum muss ich aufgeklärt werden?

Die verpflichtende Aufklärung (§ 630e BGB) durch den Arzt ist eng an die Einwilligung (§ 630d BGB) des Patienten gekoppelt. Das ist auch logisch, denn wie sollte man in etwas einwilligen können, wenn man gar nicht weiß, in was man da überhaupt einwilligt? Das heißt, erst muss die Information bzw. die Aufklärung stattfinden und erst dann kann man auf Grundlage dieser Informationen eine fundierte Entscheidung treffen – also seine Einwilligung erteilen oder eben auch nicht.

 

Klärt der Arzt also nicht ordentlich auf, hat das meist zur Folge, dass auch die Einwilligung des Patienten nicht wirksam ist. Und das kann nicht nur für den Patienten, sondern auch für den Arzt fatale Folgen haben, denn:

 

Jeder Heileingriff ohne Einwilligung ist eine Körperverletzung,

selbst wenn die Behandlung fehlerfrei verläuft.

 

Viele fragen sich jetzt bestimmt, warum das so ist. Wer würde denn nicht gerne geheilt werden? Vor allem dann, wenn die Maßnahme auch noch fehlerfrei verläuft? Doch diese Grundregel lässt sich relativ einfach erklären: Wäre keine Einwilligung notwendig, dürften Ärzte mit den Menschen machen, was sie wollen, solange der Eingriff „gut gemeint“ ist und fehlerfrei durchgeführt wird. Hier soll also die Selbstbestimmung der Menschen geschützt werden. (Übrigens darf man deshalb seine ggf. erteilte Einwilligung auch jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen!)

 

„Wäre keine Einwilligung notwendig, dürften Ärzte mit den Menschen machen, was sie wollen, solange der Eingriff „gut gemeint“ ist und fehlerfrei durchgeführt wird.“

 

Worüber muss ich aufgeklärt werden?

In § 630e BGB steht, dass der Behandelnde verpflichtet ist, den Patienten über sämtliche Umstände aufzuklären, die für die Einwilligung wesentlich sind.

 

Dazu gehören insbesondere:

  • Die Art des Eingriffs (Operation, Medikation, Injektion etc.)
  • Der Umfang des Eingriffs (Dauer, Häufigkeit)
  • Die Durchführung (Ablauf)
  • Die Folgen und Risiken
  • Die Notwendigkeit bzw. Dringlichkeit
  • Die Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose

 

Dabei muss der Arzt nicht nur ein allgemeines, sondern auch ein spezielles Bild der Chancen und Risiken des medizinischen Eingriffs vermitteln. Das bedeutet, er muss einerseits darüber aufklären, was ein normaler, „verständiger“ Patient bräuchte, um seine Einwilligung davon abhängig zu machen. Er muss andererseits aber auch darüber aufklären, was der individuelle Einzelpatient wissen wollen würde. Ein Arzt muss also z. B. einen Fallschirmspringer oder einen Sporttaucher vor der Behandlung einer Mittelohrentzündung wesentlich umfänglicher und intensiver aufklären als andere Patienten.

 

Über atypische oder wenig wahrscheinliche Risiken muss der Arzt aber nur dann informieren, wenn sie den Patienten schwer belasten würden oder für den Laien überraschend sind, wie z. B. eine mögliche Erblindung aufgrund einer Einblutung bei einer Polypen-Operation. Über außergewöhnliche oder unvorhersehbare Risiken muss der Arzt jedoch nicht aufklären.

 

Und auch wenn der Arzt grundsätzlich frei wählen kann, wie er den Patienten behandeln und therapieren würde, muss er trotzdem über mögliche Alternativen zu seinem Vorschlag aufklären. Der Patient darf am Ende aber dennoch selbst entscheiden, welche Behandlung er wählt – oder ob er überhaupt eine wählt. Selbst wenn das aus ärztlicher Sicht so gar nicht zu empfehlen wäre. Der Patient hat sozusagen ein Recht auf unvernünftige Entscheidungen. Zudem muss der Arzt auch wirtschaftlich aufklären und auf eventuell anfallende Kosten hinweisen.

 

Neben dem Inhalt der Aufklärung spielt aber auch der Umfang bzw. die Intensität eine wichtige Rolle. Grundsätzlich gilt hier:

  • Je weniger notwendig oder dringlich der Eingriff ist…
    (z. B. kosmetische Eingriffe vs. lebensrettende Maßnahmen)
  • Je gefährlicher der Eingriff ist…
    (z. B. Transplantation vs. Blinddarm)
  • Je weniger Vorwissen der Patient hat…
    (z. B. erste Operation vs. zahlreiche Folgeoperationen)
  • Je höher die Abweichung vom medizinischen Standard ist…
    (z. B. Schmerztherapie mit Ibuprofen vs. Cannabis)

…desto intensiver muss aufgeklärt werden!

 

„Ein Arzt muss also z. B. einen Fallschirmspringer oder einen Sporttaucher vor der Behandlung einer Mittelohrentzündung wesentlich umfänglicher und intensiver aufklären als andere Patienten.“

 

Wie sollte die Aufklärung ablaufen?

Die Aufklärung ist vom Arzt selbst durchzuführen
→ nicht von nichtärztlichem Personal!

 

Die Aufklärung muss in einem mündlichen Gespräch stattfinden
→ Formulare bzw. Aufklärungsbögen allein reichen nicht aus!!! Sie dienen lediglich als grober Leitfaden und als Unterlage zur Dokumentation für Fragen des Patienten o. ä., ersetzen aber nicht das persönliche und mündliche Aufklärungsgespräch mit dem Arzt.

 

Die Aufklärung richtet sich grundsätzlich an Patienten selbst
→ außer es gibt einen Betreuer oder einen gesetzlicher Vertreter für den Patienten.

 

Die Aufklärung muss für den Laien verständlich sein
→ Der Arzt muss dabei auch den körperlichen, seelischen und geistigen Zustand des Patienten berücksichtigen.
→ Sprachliche Hürden sind ggf. durch einen Übersetzer auszuräumen.

 

Die Aufklärung muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient das Für und Wider des Eingriffs abwägen kann
→ Bei stationären Eingriffen: mindestens ein Tag vor dem Eingriff, nicht aber erst am Vorabend.
→ Bei ambulanten Eingriffen: je nach Umständen, z. B. Notwendigkeit, Dringlichkeit, Schwere.

 

Der Patient darf sich nicht unter Druck gesetzt fühlen
→ Er darf sich z. B. nicht bereits in einem in Gang gesetzten Geschehensablauf befinden, aus dem er sich nicht mehr ohne Weiteres lösen kann.

 

Was ist, wenn ich nicht (richtig) aufgeklärt wurde?

Hat der Arzt entweder gar nicht oder nicht richtig aufgeklärt, so ist die Einwilligung unwirksam und der Arzt begeht damit eine rechtswidrige (und zumindest fahrlässige) Körperverletzung. Daraus ergeben sich regelmäßig Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz für den Patienten.

 

Es gibt jedoch auch Ausnahmen (Wer hätte es gedacht?). Neben der „normalen“ bzw. tatsächlichen Einwilligung gibt es noch zwei weitere Formen, wovon eine z. B. bei Notfällen angewendet wird:

 

Tatsächliche Einwilligung Mutmaßliche Einwilligung Hypothetische Einwilligung
Patient ist einwilligungsfähig. Patient ist nicht einwilligungsfähig. Patient wäre einwilligungsfähig gewesen.
BSP: „Normaler“ Arzt- oder Klinikbesuch eines „verständigen“ Patienten. BSP: Notfall, Demenz, Operationserweiterungen, Drogen- oder Alkoholeinfluss. BSP: Arzt hatte keine Zeit oder hat vergessen, (über gewisse Dinge) aufzuklären.
Die Einwilligung ist wirksam, wenn der Patient Art, Bedeutung, Tragweite und Risiken erfassen und seinen Willen dementsprechend bestimmen kann. Hier kann der Patient Bedeutung und Tragweite des Eingriffs eben nicht erfassen. Damit der Behandelnde aber (schnell) helfen kann, darf er eine Einwilligung „mutmaßen“. Dazu müssen jedoch persönliche Umstände des Patienten berücksichtigt werden, wie z. B. eine ggf. vorliegende Patientenverfügung oder Erzählungen aus vorherigen Gesprächen. Die hypothetische Einwilligung ist sehr vorsichtig anzuwenden und kein Arzt sollte sich darauf ausruhen! Sie „rettet“ ihn nur in Fällen, in denen es kaum auszuschließen ist, dass der individuelle (nicht objektiv vernünftige!) Patient bei einer ordentlichen Aufklärung eingewilligt hätte.

Eine weitere Ausnahme stellt der Aufklärungsverzicht dar. Das ist z. B. häufig bei älteren Menschen der Fall, die gar nicht mehr wissen möchten, was sie bei einer Operation alles erwarten könnte. Ein Aufklärungsverzicht sollte allerdings noch sorgfältiger vom Arzt dokumentiert werden, als er es ohnehin schon bei der „normalen“ Aufklärung tun sollte – denn der Arzt trägt die Beweislast für die Aufklärung und somit schließlich auch für die Einwilligung. Verzichtet jemand auf die Aufklärung, sollte bestenfalls noch ein weiterer Arzt hinzugeholt werden, um diesen Verzicht ggf. bezeugen zu können.

 

Fazit

Die ärztliche Aufklärung ist die Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung und stellt so sicher, dass der Patient selbst bestimmen kann, ob und inwiefern in seinen Körper eingegriffen werden darf. Dazu muss sich die Aufklärung stark dem Patienten und den jeweiligen Umständen anpassen.

 

In der Praxis bemerkt man jedoch häufig, dass die Aufklärung etwas anders abläuft, als sie hier beschrieben wurde – was oft auch an dem enormen Zeitdruck liegt, der auf Ärzten lastet. In einem solchen Fall sollte man als Patient aber trotzdem keine falsche Scheu haben, auf umfassendere Informationen zu bestehen und nachzufragen, wenn man noch etwas wissen möchte oder wenn man etwas nicht verstanden hat. Die ärztliche Aufklärung ist keine Form von Höflichkeit oder Rücksichtnahme, sondern eine wichtige Pflicht, die ernst genommen werden muss – zugunsten von Patient und Arzt.

 

 

 MARC SCHAUER

studiert Humanmedizin und Jura.

 

Er arbeitet als studentische Hilfskraft im operativen Bereich an der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus am Lehrstuhl für Orthopädie der Universität Würzburg.

 

 

 ANNA MURK, LL.M.Eur

ist Wirtschaftsjuristin und Chefredakteurin von LEGAL LAYMAN.

 

Seit ihren beruflichen Anfängen ist sie rechtlich u.a. im Gesundheitswesen tätig und schult z.  B. Ärzte und Medizinstudierende im Arzthaftungrecht.

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