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Ein Produktrückruf – was bedeutet das?

Nahezu jeder kennt den Begriff „Rückruf“ – die meisten können sich darunter auch etwas vorstellen, viele sind auch schon selbst betroffen gewesen. Aber was ist das nun konkret?

 

Grundsätzlich trägt jedes Unternehmen, welches irgendwelche Produkte in den Markt bringt, auch die Verantwortung dafür, dass die Nutzer oder Dritte dadurch nicht gefährdet werden.

 

Und das betrifft im Grundsatz erstmal jedes Produkt und auch jede Art des „Inverkehrbringens“.

 

Egal, ob Lebensmittel, Arzneimittel, Spielzeug, technische Produkte, ja sogar Reisen oder andere Dienstleistungen – das Produkt muss so sicher sein, dass niemand zu Schaden kommen kann.

 

Das Ganze hat natürlich seine Grenzen.

 

Kann es Grenzen geben, wenn es um Sicherheit geht?

Sollte nicht die maximale Sicherheit oberstes Gebot sein? Können wir akzeptieren, dass Personen zu Schaden kommen?

 

Im Endeffekt kann man kein Risiko vollständig ausschließen. Jeder, der in ein Flugzeug steigt, ist sich dessen bewusst, dass dieses auch abstürzen könnte. Jeder, der eine Treppe benutzt, trägt das Risiko zu stolpern und die Treppe hinabzustürzen. Und jeder, der Zigaretten raucht, ist sich vollkommen bewusst, dass sein Risiko für schwere Erkrankungen enorm steigt.

 

Sicherheit ist somit relativ – wir definieren ein Risiko, mit dem wir gut leben können. Oft ist dieses durch eine Vielzahl von Gesetzen flankiert.

 

„Kann es Grenzen geben, wenn es um Sicherheit geht? […] Können wir akzeptieren, dass Personen zu Schaden kommen?“

 

Was tut der Staat dafür, dass die Bürger sicher sind?

Artikel 2 des Grundgesetzes sichert jedem Bürger das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu. Wie kann dann der Staat zulassen, dass auch potenziell gefährliche Produkte in Verkehr gebracht und benutzt werden? Warum dürfen dann schwere Maschinen mit hoher Geschwindigkeit über unsere Straßen bewegt werden? „Zulassen“ als Begriff trifft hier auch schon den Nagel auf den Kopf.

 

Der Staat, respektive der Gesetzgeber, schafft hier enge Grenzen und klare Regeln – so müssen Personen, die schwere Maschinen bedienen, nachweisen, dass sie diese auch beherrschen können – bei einem Fahrzeug muss man einen entsprechenden Führerschein besitzen.

 

Fahrzeuge und Personen erhalten von der Zulassungsstelle – einer Behörde auf Landesebene, ihre Erlaubnis.

 

Und auch der Hersteller/ Inverkehrbringer hat klare Vorgaben, wie er seine Produkte gestalten muss. Und auch, welche Pflichten sich für die Nutzungsphase ergeben. Umfangreiche gesetzliche Regelungen zur Genehmigung, Marktüberwachung, zu Produktsicherheit, Produkthaftung und Produzentenhaftung machen klare Vorgaben.

 

Warum nun einen Rückruf?

An die Produkte und deren Nutzung sind klare Regeln gebunden – so weit, so gut. Wenn sich jeder daran hält, ist alles gut. Warum dann ein Rückruf von Produkten?

 

Immer wieder kommt es zu Fehlern an Produkten. Diese können sehr vielfältig sein und unterschiedlichste Ursachen haben.

 

  • Bereits bei der Gestaltung eines Produktes müssen potenzielle Fehler und deren Wirkung betrachtet werden – beispielsweise mithilfe einer sogenannten FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse). Hierbei kann es passieren, dass bestimmte Fehlerbilder nicht bedacht werden.

 

  • In der Fertigung der Produkte kann es ebenfalls zu Fehlern kommen. Je komplexer das Produkt, desto komplexer ist auch der Fertigungsprozess. Wussten Sie, dass bei einem Fahrzeughersteller oftmals alle 40 Sekunden ein Fahrzeug vom Band rollt? Die Fahrzeuge werden an verschiedenen Arbeitsstationen zusammengebaut. Soll der Fertigungsablauf flüssig erfolgen, muss jede Arbeitsstation ihre Aufgaben in 40 Sekunden erledigt haben. Und dabei kommt es natürlich auch auf die richtige Reihenfolge an. Diese Komplexität birgt Risiken für Fehler, insbesondere wenn Änderungen erforderlich sind.

 

„Fehler können also nie vollständig ausgeschlossen werden. Und auch Fehler, die zu einer Gefährdung führen können, treten immer wieder auf – Anlass für einen Rückruf.“

 

  • Jedes Produkt besteht aus Komponenten, Halbzeugen (vorgefertigte Rohmaterialform) oder Rohstoffen, die über Lieferanten bereitgestellt werden. Was geliefert werden soll, ist über Spezifikationen und Verträge geregelt. Auch hier kann es zu Fehlern kommen. Selbstverständlich kann auch ein Lieferant Fehler in der Produktion haben.

 

  • Und dann gibt es noch ein Fehlerrisiko durch den Kunden – hierbei muss nicht unbedingt der Endkunde gemeint sein. Der Fahrzeughersteller als Kunde des Lieferanten kann bei der Handhabung der gelieferten Komponenten Fehler machen. Unterscheiden kann man hier beispielsweise nach dem Verwendungszweck – handelt es sich um die vorgesehene Verwendung? War die Verwendung zumindest vorhersehbar oder muss eine missbräuchliche Verwendung unterstellt werden? Es kann durchaus passieren, dass die vorgesehene Verwendung nicht ausreichend kommuniziert wurde.

 

  • Letztlich kann es auch zu Fehlern bei der Nutzung kommen – durch vorzeitigen Verschleiß beispielsweise.

 

Fehler können also nie vollständig ausgeschlossen werden. Und auch Fehler, die zu einer Gefährdung führen können, treten immer wieder auf – Anlass für einen Rückruf.

 

Produktfehler erkennen

Da Fehler nun leider nicht ausgeschlossen werden können, ist es elementar, dass diese frühzeitig erkannt werden. In den verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus haben sich verschiedene Methode hierzu etabliert – einige sind gesetzlich vorgeschrieben, andere sind beispielsweise Industriestandards.

 

  • In der Entwicklungsphase gibt es verschiedene Methoden – als Beispiel sei die FMEA genannt, eine Methode zur Beurteilung der Fehlerart und Auswirkung.

 

  • Sind die ersten Prototypen vorhanden, werden diese bereits den ersten Dauerlauftests unterzogen.

 

  • Ist die Produktentwicklung so weit vorangeschritten, dass es erste seriennahe Muster gibt, kommt oft schon die „erste“ gesetzliche Hürde – das Produkt wird durch eine Behörde bewertet. Erfüllt es die gesetzlichen Anforderungen, wird es genehmigt – der Hersteller bekommt also die Erlaubnis, das Produkt in Verkehr zu bringen.

 

  • Für den Anlauf der Produktion hat der Hersteller eine Serienfreigabe als interne „Hürde“.

 

  • Ist die Produktion im vollen Gange, führt der Hersteller Maßnahmen zur Qualitätssicherung durch. Der Gesetzgeber fordert hierzu noch eine ergänzende Überwachung konkreter Merkmale – in Form von CoP (Conformity of Production).

 

  • Ist das Produkt in Nutzung, ist der Hersteller beispielsweise zu einer Produkt-/ Marktüberwachung verpflichtet.

 

  • Und selbst für die Entsorgung gelten strenge gesetzliche Anforderungen.

 

Wird nun in einer der Phasen ein Produktfehler erkannt, der zu einer Gefährdung führen könnte, ist der Hersteller aufgefordert, die Produkte zurückzurufen, um diese zu reparieren oder aus dem Verkehr zu ziehen. In bestimmten Fällen kann auch eine Produktwarnung ausgesprochen werden.

 

„Ist das Risiko hoch, wird der Rückruf von der Behörde angeordnet. Ist die Behörde mit der Durchführung des Rückrufes unzufrieden, kann sie auch selbst die Kontrolle über den Rückruf übernehmen.“

 

Was bedeutet ein Rückruf für den Hersteller?

Für den Hersteller bedeutet ein Rückruf zunächst einmal, dass er unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, die Gefährdung abstellen muss.

 

Oberstes Gebot ist hier zumindest, die betroffenen oder zumindest potenziell betroffenen Kunden (einschließlich der Behörde) umgehend und strukturiert zu informieren.

 

Jedes Unternehmen benötigt für diesen Fall einen Rückruf-Prozess. Es muss also eindeutig beschrieben sein, über welche Quellen Produktfehler erkannt und wie diese einer Bewertung zugeführt werden. Nach der strukturierten Bewertung sind Abstellmaßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen. Auch dies muss, ebenso wie die Kommunikationsregeln, in dem Rückruf-Prozess beschrieben sein.

 

Für die Maßnahmen gibt es verschiedene Möglichkeiten, abhängig vom Schweregrad des Risikos – verschiedene freiwillige Maßnahmen stehen bei entsprechend geringem Risiko zur Auswahl. Ist das Risiko hoch, wird der Rückruf von der Behörde angeordnet. Ist die Behörde mit der Durchführung des Rückrufes unzufrieden, kann sie auch selbst die Kontrolle über den Rückruf übernehmen.

 

Was bedeutet ein Rückruf für den Kunden?

Für den betroffenen Kunden zeigt sich nur ein sehr kleiner Ausschnitt aus dem ganzen Prozess. Er bekommt eine Information, dass ein Produkt, welches er nutzt, von einem Fehler betroffen ist und daher repariert oder ausgetauscht werden muss.

 

Wichtig für den Kunden ist, den Anweisungen des Herstellers und/ oder der Behörde zu folgen und diese auf keinen Fall zu ignorieren.

 

 

MARK HAACKE

 

ist Ingenieur und hat sich mit seinem Unternehmen auf Product

Compliance in der Automobilbranche spezialisiert.

 

Die juristische Zeitschrift für Nichtjuristen

Aktuelle Themen, Komplexe Materien.

Einfach und verständlich erklärt.

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