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Eigentlich geht es um Schutz

INTERVIEW mit Dr. Thomas Altenbach von LegalTegrity über Hinweisgebersysteme, die schon bald in Unternehmen eingerichtet werden müssen, und ihre Software dazu.
LL: Lieber Thomas, erkläre uns doch erst einmal: Was macht ihr von LegalTegrity eigentlich? Und wieso?

TA: Die EU hat eine Richtlinie erlassen, nach der Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiter:innen ab Dezember 2021 ein Hinweisgebersystem haben müssen. Über ein solches System können Mitarbeiter:innen anonym melden, wenn sie etwas beobachtet haben, das ihrem Bauchgefühl nach nicht rechtens war. Ob es am Ende aber tatsächlich nicht rechtens war, muss der Mitarbeiter nicht selbst wissen, sondern diese Einordnung übernimmt dann das Unternehmen. Zudem schützt diese Richtlinie den Hinweisgeber, was bisher nicht der Fall war. Er hat also nichts zu befürchten, wenn er einen solchen Vorfall meldet.

 

Und wir von LegalTegrity haben eine Software dazu entwickelt, also eine digitale Hinweisgeberlösung für Unternehmen. Wir fokussieren uns dabei vor allem auf den deutschen Mittelstand, weil dort fast 90% aller Menschen in Deutschland arbeiten und die Unternehmen oft schon so groß sind, dass nicht mehr jeder jeden persönlich kennt.

 

LL: Mit dem Begriff “Hinweisgeber” oder “Whistleblower” verbindet man ja erst einmal nicht unbedingt etwas Gutes. Man denkt hier schnell an Edward Snowden oder an sonstige Skandale, die man so in den Medien mitbekommt. Was steckt denn hinter solchen Systemen?

TA: Dahinter steckt primär Menschen zu motivieren, etwas offen oder anonym an eine vertrauenswürdige Stelle zu melden, wenn nach ihrem Bauchgefühl etwas eben nicht ganz rechtens erscheint. Es geht gar nicht um große Skandale und weltweite Öffentlichkeit. Es geht eher um die vielen Dinge, die überall schieflaufen, aber oft nicht bemerkt werden, weil sich keiner traut, sie offen anzusprechen. Die EU-Richtlinie schützt den Meldenden nachher gegen alle Nachteile. Das Tolle ist: ganz automatisch bezweckt die Richtlinie ebenfalls den Schutz nachhaltigen Erfolgs von Unternehmen durch eine Art Frühwarnsystem: das Ziel solcher Systeme ist, Skandale – wie wir sie in letzter Zeit häufiger in den Schlagzeilen vorgefunden haben – zu vermeiden. Die Richtlinie schützt die mutige Person, die sich traut, einen Hinweis zu geben. Dieser Hinweisgeber schützt wiederum das Unternehmen vor größerem Schaden. Alle gewinnen dadurch. Das ist so, als ob ein Nachbar Dich anruft und sagt: „Da hat jemand beim Einparken Dein Auto demoliert. Hier hast Du das Kennzeichen.“ Du bist happy, dass er Dich angerufen hat.

 

„Die EU hat eine Richtlinie erlassen, nach der Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiter:innen ab Dezember 2021 ein Hinweisgebersystem haben müssen. Über ein solches System können Mitarbeiter:innen anonym melden, wenn sie etwas beobachtet haben, das ihrem Bauchgefühl nach nicht rechtens war.“

 

LL: Was genau meldet man denn eigentlich bei solchen Hinweisgebersystemen?

TA: Man soll all das melden, was man im Zusammenhang mit seinem Job nicht jedem, z.B. seiner Großmutter, erzählen möchte oder was keiner über sich in den News hören oder lesen will. Das sind in erster Linie Verstöße gegen Gesetze, die jeder kennt. Da muss man nicht Detektiv spielen und sich 100% sicher sein. Das Bauchgefühl und gesunder Menschenverstand reichen da völlig aus. Wichtig ist, dass auch hier die fünf “W”-Fragen beachtet werden: WER? WAS? WANN? WO? und ein zusätzliches W ist das WARTEN. Es bedeutet, für Rückfragen bereit zu sein, denn das ist zur Aufklärung enorm wichtig. Das funktioniert bei unserer Software natürlich auch anonym.

 

LL: Nehmen wir jetzt mal an, jemand hätte also so einen Vorfall beobachtet und möchte das in eurem System melden – wie läuft das dann ab?

TA: Das System ist für jedermann von überall durch jedes internetfähige Gerät zugänglich. Das Unternehmen kann den Link zum System bspw. im eigenen Intranet platzieren oder mithilfe von QR-Codes breitflächig im Unternehmen streuen. Mit wenigen Klicks führt unser System durch einen simplen Fragebogen, der die „W“s abfragt. Das Ergebnis sieht sich jemand Vertrauenswürdiges an (entweder aus dem Unternehmen oder ein externer Verantwortlicher), der versucht zu verstehen, um was für einen Verstoß es sich handelt und der gegebenenfalls noch einmal Rückfragen an den Meldenden stellt. In unserem System ist dieser Austausch möglich, obwohl der Hinweisgeber garantiert anonym bleibt. Dann ist es ein wenig wie Detektivarbeit: herausfinden, was passiert ist. Mit der Person sprechen, warum sie die Regeln nicht eingehalten hat und dann entscheiden, was gemacht werden muss, dass so etwas nicht noch einmal passiert. In kritischen Fällen kann dann sogar eine Strafanzeige oder eine Kündigung folgen. Das ist aber die absolute Ausnahme.

 

LL: Worauf legt ihr dabei besonders viel Wert?

TA: Unser Anliegen bei der Entwicklung dieser Software ist, die Hemmschwelle für dich als Mitarbeiter eines Unternehmens möglichst nonexistent zu machen. Du sollst kein Kopfzerbrechen haben: „Meld‘ ich das jetzt oder nicht?“. Trotzdem ist es eine Software, die du nicht regelmäßig benutzen wirst. Umso wichtiger ist es also, dass sie benutzerfreundlich und ohne großes Training einleuchtend ist. Deswegen haben wir mit Experten für die visuelle Gestaltung und das Nutzungserlebnis von Software zusammengearbeitet und viele Menschen die Lösung testen lassen.

 

„Es geht gar nicht um große Skandale und weltweite Öffentlichkeit. Es geht eher um die vielen Dinge, die überall schieflaufen, aber oft nicht bemerkt werden, weil sich keiner traut, sie anzusprechen.“

 

Darüber hinaus sind wir überzeugt, dass das Thema Whistleblowing beziehungsweise Hinweisgeberschutz noch viel mehr Wahrnehmung benötigt, damit Lösungen wie unsere Vertrauen genießen können – dafür muss noch viel „Bildungsarbeit“ geleistet werden. Aus diesem Grund arbeiten wir mit „This is Legal Design“ zusammen, um den rechtlichen Kontext für jedermann gut verdaulich aufzubereiten. Die Einblicke, die wir durch diese Erarbeitung über unsere Nutzer erlangen, sind beeindruckend und wahnsinnig wertvoll.

 

Es mag vielleicht banal klingen, aber ich finde, als Unternehmer darf man gerade bei solch‘ spezifischer Software den Anspruch auf Innovation und Modernität haben. Mir war von Anfang an bei der Gründung klar, dass ich eine volldigitale Lösung möchte, hinter der auch ein digitales Geschäftsmodell steht. Eine Hinweisgeberlösung wechselt man in der Regel nicht häufig und mit unserer Lösung sollen Unternehmen nicht nur heute technisch und organisatorisch auf dem neusten Stand sein, sondern es auch morgen bleiben.

 

LL: Gibt es irgendetwas, dass du den Unternehmer:innen gerne sagen würdest, die ein solches Hinweisgebersystem einführen müssen?

TA: Die Umsetzung dieser Richtlinie ist eine Chance! Keine falsche Scheu vor dem Thema! Die Mitarbeiter:innen sind in der Firma am nächsten am Geschehen dran und wissen eher als die, die es wissen sollen, wenn etwas schiefläuft. Dabei geht es um Transparenz, Integrität und Loyalität. Wer etwas meldet, tut dies im Interesse seines eigenen Arbeitsplatzes und im Interesse des Unternehmens. Davon profitieren alle nachhaltig auf unterschiedliche Weise.

 

LL: Okay, Thomas. Jetzt angenommen du dürftest dir für die Zukunft von Whistleblowing etwas wünschen; was wäre das?

TA: Ich wünsche mir, dass Whistleblowing den negativen Beigeschmack verliert. Es soll in Zukunft dafür stehen, jemanden mit gutem Willen auf etwas hinzuweisen, was falsch läuft. Es geht nicht um Verpfeifen, sondern es geht eigentlich um Schutz – der Kolleg:innen, der Kund:innen und des Unternehmens. Dazu gehört auch, dass eine Hinweisgeberlösung zu einem von allen akzeptierten Kommunikationsweg im Unternehmen wird, dem einerseits von den Mitarbeiter:innen als potenziellen Hinweisgebern vertraut und bei dem andererseits die Arbeitgeber:innen auch die in dem Hinweis selbst liegende Wertschätzung gesehen wird.

 

LL: Dann hoffen wir natürlich, dass dein Wunsch in Erfüllung geht! Vielen Dank für das Interview, Thomas.

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