Homeoffice für jedermann und von überall?
Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt und wirkte wie eine Art Brandbeschleuniger für die Entwicklung der neuen Arbeitswelt. Plötzlich fand sich nahezu jeder, der seine Arbeit vor einem Computer verrichten kann, während der Arbeitszeiten am eigenen Esstisch wieder. Persönliche Termine wurden durch virtuelle „Calls“ im Wohnzimmer ersetzt. Das Homeoffice erhielt damit schneller Einzug in die deutsche Arbeitswelt, als man es sich in diesem Umfang noch vor ein paar Jahren vorstellen hätte können.
Aufgrund der neuen Situation kann man nicht auf jahrelange Rechtsprechung von Gerichten zurückgreifen, um arbeitsrechtliche Fragen zu beantworten. Viele rechtliche Fragen zum Homeoffice sind deshalb noch bis heute ungeklärt und führen daher zu Unsicherheiten bei Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen.
Wer entscheidet, wo gearbeitet wird?
Um die Pandemie zu bekämpfen, hatten Arbeitgeber:innen eine Zeit lang die Pflicht, Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice überall dort anzubieten, wo es möglich war. Die Anzahl der Personen, die ihre Arbeit überwiegend im Homeoffice erfüllen, hatte sich dadurch zwischenzeitlich fast verzehnfacht.
Da die Homeoffice-Pflicht Anfang Juli 2021 ausgelaufen ist, stellt sich für viele nun die Frage, von welchem Ort sie in Zukunft arbeiten können bzw. sollen. Denn der ein oder andere hat durchaus Gefallen an der Arbeit von zuhause aus gefunden. In der Politik wird zwar immer wieder diskutiert, ob Arbeitnehmer:innen einen Anspruch auf Homeoffice bekommen sollen, allerdings hat es ein solches Recht noch nicht in die Gesetzesbücher geschafft.
Aktuell ist es deshalb grundsätzlich so, dass weder Arbeitnehmer:in noch Arbeitgeber:in einseitig vom jeweils anderen verlangen kann, dass von zuhause aus gearbeitet wird, wenn der / die andere das nicht möchte. Beide Parteien müssen sich also sozusagen an einen Tisch setzen, sich individuell darüber absprechen und eine Vereinbarung treffen.
Wer trägt die Kosten im Homeoffice?
Im Homeoffice entstehen für Arbeitnehmer:innen zusätzliche Kosten, wie z.B. für die Ausstattung des Arbeitsplatzes (Schreibtisch, Stuhl, Laptop etc.). Außerdem benötigt der Arbeitsplatz auch zusätzlichen Raum. Deshalb kommt in Betracht, dass sich Arbeitgeber:innen an den Miet- und Mietnebenkosten beteiligen.
Es kommt wie immer auf den Einzelfall an, wer für die „Büro-Ausstattung“ im Homeoffice verantwortlich ist und wer die Kosten hierfür trägt. Grundsätzlich tragen aber Arbeitgeber:innen die Kosten dafür, den Arbeitnehmer:innen einen Arbeitsplatz und die entsprechenden Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Das gilt nicht nur für den Arbeitsplatz im Betrieb, sondern auch für das Homeoffice.
Stellen Arbeitgeber:innen die erforderlichen Arbeitsmittel nicht zur Verfügung, können Arbeitnehmer:innen verlangen, dass bestimmte Aufwendungen (d.h. Anschaffungen) ersetzt werden. Das geht dann, wenn:
- die Aufwendungen nach Ansicht des Arbeitnehmers / der Arbeitnehmerin erforderlich waren und
- diese im überwiegenden Interesse des Unternehmens lagen.
Um beurteilen zu können, ob die Aufwendungen erforderlich sind, kommt es darauf an, ob das Homeoffice auf Dauer oder nur vorübergehend genutzt wird. Weiterhin ist entscheidend, ob die Arbeit von zuhause aus überwiegend im Interesse der Arbeitgeber:in oder der Arbeitnehmer:in liegt. Wobei man das jedoch gar nicht immer eindeutig sagen kann, denn meistens haben beide ihre Gründe dafür. Sollte die Homeoffice Tätigkeit aber überwiegend im Interesse der Arbeitnehmer:in liegen, kann sich der/die Arbeitgeber:in unter Umständen weigern, die Kosten dafür zu übernehmen.
„Aktuell ist es grundsätzlich so, dass weder Arbeitnehmer:in noch Arbeitgeber:in einseitig vom jeweils anderen verlangen kann, dass von zuhause aus gearbeitet wird, wenn der/die andere das nicht möchte.“
Am besten ist es, klare Vereinbarungen zu treffen, wer welche Kosten und in welcher Höhe übernimmt. Das kann auch über Pauschalen geregelt werden, z.B. bei Nebenkosten. Hier ist es beinahe unmöglich, den tatsächlichen Verbrauch von Strom, Heizung etc. im Zusammenhang mit der Tätigkeit im Homeoffice genau zu berechnen. Deswegen wird dafür häufig eine Pauschale i.H.v. 50,00 Euro im Monat empfohlen und als angemessen erachtet.
Als Faustregel gilt aber: Arbeitgeber:innen sollen durch die Anordnung von Homeoffice finanziell zwar nicht entlastet, Arbeitnehmer:innen aber auch nicht belastet werden. Arbeitgeber:innen müssen ihren Arbeitnehmer:innen nicht alle Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, sondern Arbeitnehmer:innen können im Homeoffice auch eigene Arbeitsmittel verwenden. Es ist aber auch eine Vereinbarung möglich, nach der konkrete Aufwendungen bereits mit dem Lohn abgegolten sind, wenn diese nur einen geringen Teil des Lohns ausmachen.
Und wie ist das mit den Arbeitszeiten?
Abends, 22 Uhr auf der Couch noch schnell eine E-Mail versenden und am nächsten Morgen, 8 Uhr im Homeoffice anfangen zu arbeiten? Da spielt das Gesetz nicht mit. Das Arbeitszeitgesetz und die generellen Regeln zum Arbeitsschutz gelten auch in den eigenen vier Wänden.
Wichtig ist dabei, dass Höchstarbeits-, Pausen- und Ruhezeiten im Homeoffice genauso wie am betrieblichen Arbeitsplatz eingehalten werden müssen. Hierfür sind die Arbeitgeber:innen verantwortlich – Verstöße können zu Bußgeldern führen. Zwischen dem Feierabend und dem Beginn des nächsten Arbeitstages müssen z.B. immer mindestens 11 Stunden liegen. Auch Überstunden dürfen nur im gesetzlich vorgegebenen Rahmen geleistet werden.
Viele Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen erhoffen sich gerade durch das Homeoffice viel mehr Flexibilität. Und auch in der Politik werden die Stimmen immer lauter, die fordern, die starren Regelungen des Arbeitszeitgesetzes an die neue Arbeitswelt anzupassen.
Ist jetzt auch Arbeiten aus dem Ausland möglich?
Grundsätzlich ist das Arbeiten aus dem Ausland möglich – „einfach so“ geht das aber auch nicht. Arbeitnehmer:innen haben keinen Anspruch darauf, dass sie aus dem Ausland arbeiten dürfen. Zudem ist der Arbeitsort meist fest im Arbeitsvertrag geregelt. Das ausländische Homeoffice ist also nur dann möglich, wenn eine Absprache zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in darüber vorliegt. Arbeitet der/die Arbeitnehmer:in also „einfach so“ aus dem Ausland, ohne dass es abgesprochen war, kann das gegen den Arbeitsvertrag verstoßen und zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen, wie z.B. zu einer Abmahnung oder sogar einer Kündigung. Wollen Mitarbeiter:innen also vorübergehend im Homeoffice aus dem Ausland tätig werden, kann der/die Arbeitgeber:in das grundsätzlich schon ermöglichen. Dazu ist allerdings eine Zusatzvereinbarung empfehlenswert, um gewisse Rahmenbedingungen festzulegen. Was darin genau geregelt wird, hängt vom Einzelfall ab – dabei sollte man vor allem auch arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Hintergründe berücksichtigen.
„Arbeitet der/die Arbeitnehmer:in also „einfach so“ aus dem Ausland, ohne dass es abgesprochen war, kann das gegen den Arbeitsvertrag verstoßen und zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.“
Wollen Mitarbeiter:innen allerdings langfristig ins Ausland und von dort aus im Homeoffice arbeiten, hat das Tätigwerden im Ausland keinen vorübergehenden Charakter mehr und führt daher zu komplizierteren rechtlichen Fragen. Dann ist es nötig, sich wirklich intensiv und konkret mit dieser Thematik zu befassen.
Fazit
Eine klare Antwort auf die Frage, ob Homeoffice für jedermann und von überall möglich ist, gibt es also nicht. Die Antwort lautet am Ende wie so oft „Es kommt darauf an“. Weil der Gesetzgeber in vielen Bereichen noch nicht auf die neuen Formen des Arbeitens ausgerichtet ist, müssen individuelle Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen getroffen werden.
Fakt ist aber, dass es in Zukunft wohl immer seltener der Fall sein wird, dass Arbeitnehmer:innen fünf Tage pro Woche im Büro verbringen. Immer beliebter wird eine flexible Mischung aus Bürobesuchen und Homeoffice. Insbesondere Arbeitgeber:innen sollten sich hierauf entsprechend vorbereiten. Die neuen Formen des Arbeitens können zahlreiche Vorteile für beide Seiten mit sich bringen, so können Arbeitgeber:innen beispielsweise auch ermöglichen, durch das Prinzip des „desk-sharings“[1] vorhandene Kapazitäten effektiver zu nutzen.
Bis zur Klärung offener Rechtsfragen und der Anpassung der Gesetze wird sicherlich noch einige Zeit vergehen. Bis dahin ist es besonders wichtig, dass neue Themen zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in besprochen und gemeinsam Lösungen gefunden werden, wie z.B. durch die Anpassung des Arbeitsvertrages oder einer Betriebsvereinbarung.
[1] Desk Sharing bedeutet, dass sich die Mitarbeiter jeden Tag einen neuen Arbeitsplatz im Büro wählen und es damit keine festen Plätze mehr gibt.
SARAH KLACHIN
ist Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Pinsent Masons am Standort in München. Sie berät Unternehmen in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts und vertritt nationale und internationale Mandanten in arbeits- und zivilgerichtlichen Verfahren in ganz Deutschland.