Von der Anzeige bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens
Kriminalität ist in unseren Gesellschaften überall tagtäglich präsent. Menschen werden Opfer von Straftaten, sei es bei Diebstählen, Betrügereien oder Körperverletzungen. Allein das deutsche Strafgesetzbuch enthält über 300 Tatbestände – also Verhaltensweisen, die strafrechtlich sanktioniert werden können. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland laut polizeilicher Kriminalstatistik insgesamt 6.628.583 Straftaten gemeldet. Doch wie erfahren die Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden davon? In einigen Fällen werden Straftaten durch eigene Ermittlungen der Behörden bekannt, in der überwiegenden Zahl der Fälle jedoch durch Anzeigen der Bürger. Aber was passiert dann mit einer Strafanzeige und wie läuft der Prozess ab?
„Solange die Polizei keine Kenntnis von einer Straftat hat, sind ihr die Hände gebunden.“
Was ist eine Strafanzeige und welchen Zweck hat sie?
Eine Strafanzeige ist eine Meldung an die Behörden, dass jemand möglicherweise eine Straftat begangen hat.
Sie verfolgt dabei vorrangig zwei Ziele. Zum einen werden hiermit die bekannt gewordenen Straftaten erfasst und für die polizeiliche Kriminalstatistik registriert. Diese gibt Aufschluss über das sogenannte „Hellfeld“ – also die der Polizei durch eigene Ermittlungen oder Strafanzeigen bekannt gewordene Kriminalität.
Zum anderen wird mit der Strafanzeige das Ermittlungsverfahren eingeleitet und somit der Prozess der polizeilichen Ermittlungen und Maßnahmen der Strafverfolgung in Gang gesetzt. Solange die Polizei keine Kenntnis von einer Straftat hat, sind ihr die Hände gebunden. Sobald sich jedoch aus der Strafanzeige ein Anfangsverdacht begründen lässt, muss sie entsprechende Ermittlungen durchführen.
„Eine Strafanzeige hat keine besondere Form. Sie kann mündlich oder auch schriftlich mitgeteilt werden.“
Was braucht man für eine Strafanzeige, beziehungsweise wie gibt man sie auf?
Jeder, der Kenntnis über eine Straftat erlangt hat, kann diese bei der Polizei anzeigen. Die Polizei ist dazu verpflichtet, Strafanzeigen entgegenzunehmen. Das heißt, man muss nicht selbst Geschädigter sein, man kann auch anderweitig Kenntnis von einer Straftat erlangt haben – beispielsweise als Zeuge.
Eine Strafanzeige hat keine besondere Form. Sie kann mündlich oder auch schriftlich mitgeteilt werden. Strafanzeigen können nicht nur bei der Polizei, sondern auch direkt bei den zuständigen Staatsanwaltschaften und Amtsgerichten erstattet werden. Viele Polizeibehörden bieten auch die Möglichkeit einer Online-Wache, bei der einfach gelagerte Sachverhalte über ein Online-Formular direkt an die zuständige Polizeibehörde übermittelt werden können.
Exkurs: Strafanzeige vs. Strafantrag
Von der Strafanzeige ist der sogenannte Strafantrag zu unterscheiden. Im Alltag werden diese beiden Begriffe oftmals verwechselt. Während die Strafanzeige eine Meldung über eine mögliche Straftat darstellt, ist der Strafantrag eine wichtige Verfahrensvoraussetzung, damit eine Straftat überhaupt verfolgt wird, z.B. bei Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Beleidigung oder auch der einfachen oder fahrlässigen Körperverletzung. Den Strafantrag kann auch nicht jeder, sondern grundsätzlich nur der Verletzte stellen. Gerade der Hausfriedensbruch oder auch die Beleidigung werden tatsächlich nur verfolgt, wenn ein Strafantrag gestellt wurde. Die Körperverletzung braucht den Strafantrag nicht in allen Fällen, so z.B. wenn ein öffentliches Interesse daran besteht, die Körperverletzung aufzuklären und den Täter zu verurteilen.
Eine Strafanzeige kann man nicht mehr zurücknehmen,
einen Strafantrag hingegen schon.
„Die Dauer eines Ermittlungsverfahrens ist maßgeblich von der Art und dem Umfang der zu tätigenden Ermittlungsmaßnahmen abhängig und kann unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen.“
Welchen Weg geht die Strafanzeige bei der Polizei?
Nachdem eine Anzeige aufgegeben wurde, wird sie an die zuständige Ermittlungsdienststelle weitergegeben. Die Polizei vergibt hierbei für die Strafanzeige und den Ermittlungsvorgang ein individuelles Aktenzeichen. Das macht es später einfacher, die Ermittlungsergebnisse zuzuordnen und den zuständigen Sachbearbeiter zu erreichen. Je nach Straftat werden die Vorgänge in den jeweiligen Ermittlungsgruppen der Schutz- und Kriminalpolizei weiterbearbeitet.
Von hier aus führt man gebotene und erforderliche Ermittlungsmaßnahmen durch, untersucht also den Sachverhalt und wertet die Ergebnisse aus. Es gilt hierbei insbesondere Beweise zum möglichen Täter und zur Straftat zu sammeln und den Tatverdächtigen so schließlich zu ermitteln und letztendlich zu überführen. Es werden hierbei aber nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände zusammengetragen. Dazu führen die Sachbearbeiter Zeugenvernehmungen durch, werten Daten aus oder lassen gesicherte Spuren untersuchen. Nachdem alle erforderlichen Ermittlungsschritte unternommen wurden, findet das polizeiliche Ermittlungsverfahren mit der sogenannten Abverfügung an die zuständige Staats- oder Amtsanwaltschaft seinen vorläufigen Abschluss.
Die Dauer eines Ermittlungsverfahrens ist hierbei maßgeblich von der Art und dem Umfang der zu tätigenden Ermittlungsmaßnahmen abhängig und kann unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen. Bei komplexen Ermittlungsverfahren und schwerwiegenden Delikten erfolgen die Ermittlungen zudem in enger Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft.
„Die Polizei selbst stellt keine Verfahren ein.“
Wann wird ein Ermittlungsverfahren von der Polizei eingestellt und warum?
Die Polizei selbst stellt keine Verfahren ein. Nachdem das Ermittlungsverfahren von der Polizei an die Amts- oder Staatsanwaltschaft abgegeben wurde, wird dort entschieden, ob weitere Ermittlungen durchzuführen sind oder Anklage erhoben wird. Führen die Ermittlungen zu keinem Ergebnis, wird das Verfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren zudem mit oder ohne Auflage oder Weisungen einstellen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse besteht. Das Verfahren kann auch eingestellt werden, wenn sich aufgrund der Ermittlungen kein hinreichender Tatverdacht gegen eine Person ergibt, d.h. es nicht wahrscheinlich ist, dass diese Person tatsächlich der Täter war.
„Ohne Kenntnis einer Straftat kann diese nicht aufgeklärt werden. So bleiben die Täter unentdeckt.“
Fazit
Die Entscheidung, eine Anzeige zu erstatten, hängt von persönlichen Einschätzungen ab. Die Quote der Strafanzeigen ist deliktsabhängig, hängt also von der Art der Straftat ab und variiert teilweise stark. Obwohl es manchmal mühsam und zweifelhaft erscheinen mag zur Polizei zu gehen, ist es dennoch wichtig, eine Anzeige zu erstatten. Ohne Kenntnis einer Straftat kann diese nicht aufgeklärt werden. So bleiben die Täter unentdeckt. Nur, wenn ein Täter ermittelt wird, können eigene und staatliche Rechtsansprüche wie beispielsweise Schadensersatz oder Schmerzensgeld beziehungsweise Sanktionierungen durchgesetzt und der Rechtsfrieden wiederhergestellt werden.
MARKUS DIETZ
ist Polizeihauptkommissar bei der Hessischen Polizei und arbeitet im Polizeipräsidium Frankfurt am Main.
Nach dem Abschluss des Studiums führte sein Weg über die Hessische Bereitschaftspolizei zum Polizeipräsidium Frankfurt am Main, wo er seitdem in verschiedenen Rollen eingesetzt war.
Derzeit ist er Pressesprecher der Pressestelle des Polizeipräsidiums.