Für viele Menschen sind Verträge ein Buch mit sieben Siegeln. Es überkommt sie Ehrfurcht, manchmal fast schon Angst vor diesen Dokumenten, die oftmals eine Sprache mit sich bringen, die dem Nicht-Juristen fast schon Spanisch erscheint.
Auch wenn es aufgrund der im deutschen Recht herrschenden Vertragsfreiheit eine unendliche Anzahl von Vertragsarten gibt, kann man doch gewisse Grundregeln ausmachen, die jeder Vertrag beinhalten sollte.
„Wenn Klauseln unklar sind, muss so lange gefragt werden, bis Verständnis bei beiden Vertragsparteien herrscht.“
Verständnis
Unabhängig von der Frage, wie viel Juristendeutsch ein Vertrag enthält: Er sollte immer nur dann unterschrieben werden, wenn er inhaltlich verstanden wurde. Und wenn Klauseln unklar sind, muss so lange gefragt werden, bis Verständnis bei beiden Vertragsparteien herrscht. Noch besser wäre es in diesem Szenario, die entsprechende Klausel klar und deutlich so zu formulieren, dass auch ein unbeteiligter Dritter sie verstehen kann. Dabei sollte man keine Scheu vor „unjuristischen“ Formulierungen haben: der Vertrag dient nur dazu, das wirtschaftlich Gewollte in Worte zu fassen.
Schreiben Sie alles in den Vertrag, was geregelt werden soll. Versprechen des Vertragspartners, dass gewisse Formulierungen nicht aufgenommen werden können, man sich aber selbstverständlich im Sinne des Gegenübers verhalten wird, sollten nicht geglaubt werden. Sollte es einmal zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen, zählt in erster Linie nur das, was im Vertrag steht (oder gerade nicht enthalten ist).
Für den Vertrag bedeutet dies: alles, was geregelt werden soll, muss in den Vertrag aufgenommen werden. Und umgekehrt: alles, was dem Willen und dem Interesse der Vertragspartner entgegenläuft, kommt nicht in den Vertrag oder (bei Musterverträgen) wird gelöscht.
„Für den Vertrag bedeutet dies: alles, was geregelt werden soll, muss in den Vertrag aufgenommen werden.“
Oft haben Nichtjuristen Angst, etwas in den Vertrag zu formulieren, was vielleicht mit den Gesetzen nicht übereinstimmt. Hier kann man relativ beruhigt sein: grundsätzlich herrscht im deutschen Recht das Prinzip der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit, d.h. in gewissen Grenzen können die Vertragsparteien regeln, was wirtschaftlich geregelt werden soll. Gewisse Ausnahmen gibt es immer dann, wenn Belange des Verbraucherschutzes oder ein ganz grober Verstoß gegen das Anstandsgefühl vorliegt.
Gelegentlich besteht die Angst auch darin, dass man wichtige Regelungen vergessen hat. Auch hier kann man relativ beruhigt sein, da das Gesetz für die meisten Szenarien Regelungen vorsieht, auf die man später bei Erkennen der Vertragslücke zurückgreifen kann.
„Grundsätzlich herrscht im deutschen Recht das Prinzip der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit, d.h. in gewissen Grenzen können die Vertragsparteien regeln, was wirtschaftlich geregelt werden soll.“
Der Blick in die Zukunft
In der Praxis erlebt man leider oft, dass Verträge nur „für den Moment“ geschrieben werden. Die Vertragsparteien betrachten die heutige Situation und regeln den Status Quo. Gerade aber bei Verträgen, bei denen sich die Vertragsparteien für eine längere Zeit aneinander binden, muss unbedingt auch in die Zukunft geschaut werden.
Hierbei sind eine Reihe von Fragen zu stellen:
- Welche unvorhergesehenen Ereignisse (Kriege, Streik, Materialengpässe) können auftreten und wie soll damit umgegangen werden? Wichtig ist, dass hier nur realistisch eintretende Ereignisse und vor allem diejenigen aufgenommen werden, die in der Vergangenheit und gemäß Erfahrungsschatz einer Vertragspartei schon aufgetreten sind.
- Sind für die Laufzeit des Vertrages Preiserhöhungen berücksichtigt?
- Unter welchen Umständen soll eine Vertragspartei sich vom Vertrag lösen können?
- Was soll passieren, wenn eine der Parteien ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt? Soll eine Vertragsstrafe fällig werden? Hat der andere ein Kündigungsrecht? Besteht die Möglichkeit, dass die jeweilige Partei nachbessern kann?
Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Überlegen Sie selbst, was in der Zukunft mit Ihnen und Ihrem Vertrag passieren könnte.
„Überlegen Sie selbst, was in der Zukunft mit Ihnen und Ihrem Vertrag passieren könnte.“
Grundgerüst eines Vertrages
Was aber muss nun in einen Vertrag hinein? Generell kann man sagen, dass ein Vertrag folgendes Grundgerüst aufweisen sollte:
a) Leistung der einen Partei
Hier kann geregelt werden, wie die Leistung aussieht (Kaufgegenstand, Gegenstand der Dienstleistung etc.). Ferner kann man hier Lieferbedingungen, den Ort der Leistung und weitere sogenannte Nebenpflichten (z.B. eine Einweisung in das verkaufte Gerät) aufnehmen.
b) Gegenleistung der anderen Partei
Gespiegelt zur Leistung unter a) werden hier die Pflichten der anderen Partei aufgeführt. Dies wird in vielen Fällen die Zahlung des vereinbarten Preises für die Leistung unter a) sein. Aufnehmen kann man hier noch Zahlungsmodalitäten und weitere Kostenkomponenten.
c) Leistungsstörungen
Hier wird geregelt, was passieren soll, wenn die Leistung und/ oder die Gegenleistung nicht oder nicht vollständig erbracht wird. Soll nachgebessert werden? Neue Ware geliefert werden? Reduziert sich der Preis?
d) Kündigungsfristen
Bei sogenannten Dauerschuldverhältnissen wird hier geregelt, wann der Vertrag ordentlich (also mit Kündigungsfristen) oder außerordentlich gekündigt werden kann. Gerade bei den außerordentlichen Kündigungsfristen sollte man diejenigen Ereignisse aufnehmen, die einem wichtig sind und zur Kündigung führen sollen.
e) Sonstige Regelungen
Hier kann geregelt werden, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten sollen. Aufgenommen werden sollte auch eine sogenannte salvatorische Klausel, die regelt, dass, für den Fall, dass eine Klausel im Vertrag unwirksam ist, der Rest des Vertrages bestehen bleiben soll. Schließlich sollte hier noch zwingend ein Hinweis aufgenommen werden, dass der Vertrag deutschem Recht unterliegt (und damit insbesondere das BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) gilt. Dies ist wichtig für diejenigen Fälle, in denen gerade keine vertragliche Regelung getroffen wurde.
„Über AGB könnte man viele Bücher füllen, die vielleicht wichtigste Aussage ist aber, dass AGB nicht in Stein gemeißelt sind.“
Und zu guter Letzt: die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)
Vielen Verträgen sind AGB beigefügt. Als solche gelten Bedingungen, die mehrfach verwendet werden, also auch ein Vertrag, den man allen Kunden standardmäßig zur Unterschrift vorlegt. Es muss hier nicht zwingend die Bezeichnung „AGB“ als Titel vorangestellt werden.
Über AGB könnte man viele Bücher füllen, die vielleicht wichtigste Aussage ist aber, dass AGB nicht in Stein gemeißelt sind, sie können durchaus verhandelt werden (wenn der Vertragspartner sich hierauf einlässt). Dadurch wird die verhandelte und abgeänderte Klausel zu einer individuell vereinbarten.
AGB unterliegen einer sogenannten Inhaltskontrolle, d.h. Regelungen, die die andere Seite zu sehr übervorteilen, gelten nicht und werden durch die gesetzliche Regelung ersetzt. Hier gilt der Grundsatz, „im Zweifel gegen den Verwender“.
Fazit
Man muss nicht Jura studiert haben, um Verträge zu verstehen oder zu verhandeln. Auch wenn Sie Rechtsrat hinzuziehen, es gilt der Grundsatz „Der Vertrag folgt dem wirtschaftlich Gewollten“.
Prof. Dr. JÖRG KUPJETZ
lehrt als Professor für Wirtschaftsrecht an der Frankfurt University of Applied Sciences und ist als Partner der Kanzlei FPS Fritze Wicke Seelig tätig.
Er ist Buchautor von: „Verträge verstehen für Nicht-Juristen“ und „Verträge verhandeln“ (beide im redline-Verlag erschienen).