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Meinungsfreiheit – Kann ich das so sagen?

Als Rechtsanwältin, die überwiegend im Äußerungsrecht unterwegs ist, beschäftige ich mich mit der Frage, ob etwas in der Presse oder im Internet gesagt oder veröffentlicht werden darf. Diese Frage kommt auf, wenn sich (politische oder gesellschaftliche) Interessengruppen öffentlich streiten oder wenn sogenanntes Out-Calling von sexuell übergriffigem, rassistischen, homo(- oder trans)feindlichen Verhalten stattfindet. Hinzu kommen noch Hate Speech und Beleidigungen im Internet.

 

Grundsätzlich dürfen alle ihre Meinung frei äußern. Das steht in unserem Grundgesetz. Wie überall im Recht gibt es aber Ausnahmen zu dieser Regel.

 

Ein typischer Fall von mir sieht so aus: Eine Mandantin, nennen wir sie Anna Müller, kommt zu mir und möchte sich gegen folgende Aussage über sie wehren:

 

Anna Müller ist drogensüchtig. Ich finde sie voll ekelhaft als Mensch.

 

Veröffentlicht wurde diese Aussage über Anna über einen Social Media Account mit mehr als 10.000 Abonnent*innen. Kann Anna dagegen vorgehen und die Äußerung gerichtlich untersagen lassen? Keine leichte Rechtsfrage.

 

 

„Meinungen bzw. Wertungen dürfen frei geäußert werden, Tatsachenbehauptungen müssen jedoch wahr sein.“

 

 

Kann man sich bei jeder Äußerung auf die Meinungsäußerungsfreiheit berufen?

Ob man sich auf die Meinungsfreiheit berufen kann, hängt davon ab, ob die Äußerung eine Meinung oder eine Tatsachenbehauptung ist. Meinungen beziehungsweise Wertungen dürfen frei geäußert werden, Tatsachenbehauptungen müssen jedoch wahr sein. Ob Meinung oder Tatsache ist eine häufige Streitfrage vor Gericht.

 

Um eine Meinung von einer Tatsachenbehauptung zu unterscheiden, muss man juristisch feinfühlig sein. Klare Beispiele sind:

Lukas hat letzte Woche den Mülleimer kaputtgetreten.“ – Ist eine Tatsache

Ich finde Ertu doof!“ – Ist eine Meinung

 

Was unterscheidet die beiden voneinander? Entscheidend ist hier, ob das Gesagte bewiesen werden kann. Ob eine Person „doof“ ist, kann nicht wirklich bewiesen werden und es unterliegt jeder Person selbst, dies so zu werten. Das wäre sonst eine schräge Situation vor Gericht, beweisen zu müssen, dass jemand „doof“ ist. Die Behauptung, dass jemand einen Mülleimer kaputtgetreten hat, kann hingegen durch Bilder, Zeug*innen, Videos oder andere Hinweise bewiesen werden. Damit ist alles, was nicht bewiesen werden kann, meist eine Meinung.

 

In meinem Eingangsbeispiel befindet sich auch beides:

„Anna ist drogensüchtig“ – Ist eine Tatsachenbehauptung

Anna ist „voll ekelhaft als Mensch“ – Ist ein Werturteil und damit eine Meinung

 

Es gibt auch Fälle, in denen eine Äußerung sowohl eine Meinung als auch eine Tatsachenbehauptung enthält. Das ist möglich, wie bei dem Beispiel: „Lisa weigert sich beim Sportunterricht teilzunehmen. Sie ist besonders sportfaul.“

 

Dann wird ein einzelner Satz oder sogar ein Wort genau unter die Lupe genommen: Es wird hier die Meinung verbreitet, dass Lisa sich weigern würde, am Sportunterricht teilzunehmen. In Wirklichkeit weigert sie sich aber nicht, sondern hat eine Verletzung, durch die sie nicht teilnehmen kann. Wenn Lisa beweisen kann, dass sie eine Krankschreibung hat, dann ist die darauf aufbauende Wertung, sie sei faul und weigert sich, falsch. Damit könnte diese Äußerung gerichtlich untersagt werden.

 

Wann darf ich eine Tatsache nicht behaupten?

Grundsätzlich dürfen nur Tatsachen gesagt werden. Unser Beispiel: Anna ist drogensüchtig, müsste dann also wahr sein und bewiesen werden.

 

Normalerweise muss die betroffene Person, bei unserem Beispiel also Anna, beweisen, dass sie nicht drogensüchtig ist. Das stellt Anna aber vor Probleme, denn zu beweisen, dass sie nicht drogensüchtig ist, ist denklogisch fast nicht möglich.

 

Hier hilft dann das Recht weiter. Wenn die Tatsachenbehauptung eine Ehrverletzung darstellt, wird das Beweisprinzip umgekehrt und die Person, die die Tatsachenbehauptung gemacht hat, muss beweisen, dass sie wahr ist. Dass Anna drogensüchtig ist, kann unstreitig als Ehrverletzung angesehen werden. Wer möchte schon in der Öffentlichkeit einer Drogensucht bezichtigt werden? Wenn die sich äußernde Person nicht in der Lage ist, dies zu beweisen, Anna gerichtlich gegen die Tatsachenbehauptung vorgehen.

 

 

„Wenn man zu dem Ergebnis gekommen ist, es ist eine Meinung, dann findet einfach gesagt die Meinungs-äußerungsfreiheit ihre Grenze da, wo die konkrete Meinung das Persönlichkeitsrecht einer anderen Person verletzt.“

 

 

Wann darf ich eine Meinung nicht äußern?

Wenn man zu dem Ergebnis gekommen ist, es ist eine Meinung, dann findet einfach gesagt die Meinungsäußerungsfreiheit ihre Grenze da, wo die konkrete Meinung das Persönlichkeitsrecht einer anderen Person verletzt.

 

Hier passiert die rechtliche Mammutarbeit. In solchen Fällen wird die Meinungsäußerungsfreiheit gegen das Persönlichkeitsrecht abgewogen. Das kann man sich wie eine Pro und Contra Liste vorstellen. Die Fragen lauten vor allem:

 

  • Wie sehr verletzt meine Aussage die andere Person in ihrem Ansehen und ihrer Ehre?
  • Wie wichtig ist es, dass die Öffentlichkeit davon erfährt?
  • Wie sehr bezieht sich mein Werturteil über die Person auf tatsächliche Gegebenheiten?

 

In unserem Eingangsbeispiel wird Anna neben drogensüchtig auch als „ekelhaft“ bezeichnet. Das ist ein Werturteil, damit eine Meinung und stellt eine Beleidigung dar, die sie als Person herabwürdigt. Schlecht für die äußernde Person ist auch, dass sie sich nicht mit etwas Wahrem (der unterstellten Drogensucht) auseinandergesetzt hat. Damit ist auch keine Grundlage für ein, wenn auch überspitztes Werturteil gegeben. Auch gibt es kein öffentliches Interesse an der Äußerung, dass sie ekelhaft ist. Im Ergebnis darf diese Meinung nicht geäußert werden, da sie das Persönlichkeitsrecht von Anna verletzt und keine Grundlage in tatsächlichen Gegebenheiten hat.

 

Fazit

Eine juristische Verfolgung ergibt im Fall von Anna jedenfalls Sinn. An die äußernde Person würde deshalb eine anwaltliche Abmahnung mit der Aufforderung, das Gesagte nicht mehr zu wiederholen, versendet werden. Eine sogenannte Unterlassungserklärung. Wenn sich die Person weigert, die Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, kann vor Gericht geklagt und dort weiterhin eine Unterlassung eingefordert werden. Außerdem muss die äußernde Person auch die Kosten der Abmahnung tragen, die schnell bei über 1.000 € liegen können.

 

 

 

REBECCA RICHTER

 

ist Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei DUNKEL RICHTER Rechtsanwältinnen in Berlin.

 

Die Kanzlei ist spezialisiert auf Medienrecht und betreut insbesondere weibliche und queere Mandant*innen.

 

Sie arbeitet häufig im Bereich des Presse- und Äußerungsrechts.

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