Hannes Hörber
Rechts- und Syndikusrechtsanwalt
Die Juristerei und ich waren keine Liebe auf den ersten Blick; auch nicht auf den zweiten. Letztlich kam „der Hunger erst beim Essen“. Ursprünglich wollte ich Offizier bei der Bundeswehr werden. Das hat sich dann aber leider zerschlagen, so dass ich mich schnell umentscheiden musste. Und sind wir mal ehrlich, Jura ist ein dankbares Fach. Ohne Numerus clausus kann man einfach so loslegen und sehen, was passiert.
Die Juristerei und ich waren keine Liebe auf den ersten Blick; auch nicht auf den zweiten.“
Recht und Gesetz hat mich zwar schon immer interessiert, als konservativer und politischer Mensch aber eher als Mittel zum Zweck und nicht als Inhalt meiner beruflichen Zukunft. Daher war ich während der ersten Semester erst einmal anderweitig aktiv und eher selten in der Uni. Mich störte der fehlende freie Geist, den ich mir an einer Universität erwartet hätte. Es ging mehr darum, die hundertste Mindermeinung des zufällig dort lehrenden Professors zu lernen, statt ein Gefühl für Systematik zu entwickeln. Den Sinn für Wirkung und Zusammenhänge der gesetzlichen Regelungen zu schärfen, hätte ich für wichtiger gehalten, als den Professor durch den Kauf seines Lehrbuchs zu alimentieren! So kam in den Jahren des Studiums keine echte Liebe zur Juristerei auf. Interessanter war da schon das Referendariat im Anschluss. Die Praxis liegt mir einfach mehr als die Theorie. Und langsam wuchs auch eine Sympathie für das Fach und die Anwendung der Gesetze.
Aber Anwalt war für mich keine Option, um ehrlich zu sein. Nach langen Jahren in der Kommunalpolitik war ein Einstieg in den öffentlichen Dienst attraktiver. Allerdings fand sich zum damaligen Zeitpunkt keine passende Stelle in der Region, in der ich familiär gebunden war. Aufgrund meiner Herkunft aus dem ländlichen Raum habe ich mich dann beim Bauernverband als juristischer Mitarbeiter beworben, die hatten allerdings wiederum keine Stelle frei. Aber wie man sieht, bietet ein Jurastudium eine Fülle an Möglichkeiten sich beruflich zu entfalten, die einem so wahrscheinlich kein weiteres Studium bieten kann. Außer wahrscheinlich Soziologie, da kann man auch alles und nichts.
„[…] wie man sieht, bietet ein Jurastudium eine Fülle an Möglichkeiten sich beruflich zu entfalten, die einem so wahrscheinlich kein weiteres Studium bieten kann.“
So kam es über eine Empfehlung aus dem Freundeskreis, dass ich als Assistent der Geschäftsleitung bei einem Anbieter für telefonische Rechtsberatung gelandet bin. Nicht ideal aber bezahlt die Rechnungen. Und erst dort im beruflichen Alltag habe ich entdeckt, dass ich ein gewisses Talent dafür habe, komplexe Sachverhalte einfach darzustellen, mit Menschen aller Art verbindlich zu sprechen und Ordnung in ein Faktenchaos zu bringen. Diese, für die Beratung praktischen Eigenschaften gepaart mit der attraktiven Altersversorgung haben mich dann dazu bewogen mir neben dem Job noch die Anwaltszulassung zu holen. Schadet ja nicht und man kann in Großmärkten für Gewerbetreibende einkaufen gehen. Plötzlich also Anwalt – nicht aus Leidenschaft, nicht aus innerster Überzeugung, sondern durch Zufall.
Das mag nicht überragend pathetisch klingen aber entspricht meiner rationalen Natur. Ich war gut im Beraten und habe mich zum Berater entwickelt. So bin ich bis heute kein Prozessanwalt, der es liebt im streitigen Verfahren vor Gericht ellenlange Schriftsätze zu produzieren. Das nervt mich tatsächlich unheimlich. Aber auch hier ist der berufliche Facettenreichtum in der Juristerei unschlagbar. Wenn man in sich hineinhört, seine Stärken kennt und dann ein bisschen unternehmerisch denkt, kann man seine Anwaltskanzlei genau danach ausrichten, was einem Freude macht. Und dann ist man plötzlich auch ziemlich gut und gefragt in dem, was man tut.
„Erst dort im beruflichen Alltag habe ich entdeckt, dass ich ein gewisses Talent dafür habe, komplexe Sachverhalte einfach darzustellen, mit Menschen aller Art verbindlich zu sprechen und Ordnung in ein Faktenchaos zu bringen.“
Diese Erkenntnis kam bei mir allerdings auch erst nach einigen weiteren beruflichen Stationen. Mal als angestellter Anwalt in einer internationalen Großkanzlei, dann als freier Mitarbeiter in einer mittelständischen Kanzlei und dann als Solo-Selbständiger. Ich wiederhole mich, aber die Juristerei ist bunt. Wenn dann noch ein Headhunter dazu kommt und einen für ein Unternehmen abwirbt, dann ergibt sich meine ganz persönliche Mischung aus selbständigem Rechtsanwalt und angestelltem Syndikus im Unternehmen. In beiden Fällen ausschließlich beratend tätig, gestaltend und produktiv. Lieber einen Streit durch gute Verträge vermeiden als seitenweise über Probleme zu schreiben und dann alles einen Richter nach Jahren entscheiden zu lassen, dem die Auswirkungen völlig egal sind. Und hier schließt sich der Kreis zum Studium. Schaffende Kreativität statt gebetsmühlenartiger Wiederholung von Rechtsprechung. Aber wie heißt es so schön: per aspera ad astra – über raue Wege zu den Sternen. Im zehnten Jahr meiner Zulassung bin ich recht zufrieden.